"Viele Kliniken sind nur schlecht auf Diabetiker eingestellt"
Die allermeisten Kliniken in Deutschland haben keine ausreichende diabetologische Expertise, kritisiert der Bundesverband der Diabetologen in Kliniken (BVDK).
Veröffentlicht:HEILBRONN (hbr). In Deutschland gibt es zwar 2080 Krankenhäuser. "Davon haben aber nur rund 200 eine diabetologische Expertise", betont Privatdozent Erhard Siegel vom BVDK. Das bedeutet: "Etwa 1900 Krankenhäuser haben diabetologische Schwachstellen", so Siegel bei der Diabetes-Aufklärungsaktion "Gesünder unter 7" von Sanofi-Aventis in Heilbronn.
Bei einer Prävalenz von acht Millionen bekannten Diabetikern - dazu kommt noch eine hohe Dunkelziffer - sei dieser Zustand beunruhigend, sagte Siegel. Nach seinen Angaben werden Diabetiker drei- bis viermal häufiger stationär aufgenommen als Nichtdiabetiker. Gleichzeitig sei das Risiko, dass es bei ihnen zu Komplikationen während des Klinikaufenthaltes kommt, im Vergleich um 40 Prozent erhöht.
So würden etwa Bluttransfusionen und Dialysen bei Diabetikern besonders oft erforderlich. Auch Aufenthalte auf der Intensivstation dauerten bei Diabetikern länger als bei Nicht-Diabetikern, und das Sterberisiko sei erhöht.
Der BVDK hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, die medizinische Versorgung von Diabetikern in Kliniken zu verbessern. Ziel ist es, flächendeckend diabetologische Erfahrungen in die Kliniken einzubringen und zu gewährleisten, dass an allen Krankenhäusern Diabetologen ausgebildet werden.
Denn es müsse sichergestellt werden, dass bei Diabetespatienten im Krankenhaus außer gegen die akute Krankheit auch gegen Diabetes behandelt wird. Der Diabetologe empfiehlt, sich vor geplanten chirurgischen Eingriffen über die Krankenhäuser zu informieren. Es sollte darauf geachtet werden, dass es in der favorisierten Klinik einen Diabetologen gibt und Diabetiker angemessen behandelt werden.
Denn betroffene Patienten selbst stünden unter Stress und könnten sich um die Diabetes-Therapie oft nicht kümmern. Häufig werden im Krankenhaus zudem Behandlungen vorgenommen, unter denen sich die Blutzuckerwerte während des Aufenthaltes in bislang nicht gekannter Weise verschlechtern könnten - etwa Therapien mit Cortison.
Ebenfalls sehr wichtig: Bei einem Klinikaufenthalt sollten die Patienten immer ihre gewohnten Diabetespräparate selbst mitbringen. Denn in Klinikapotheken steht meist nur eine begrenzte Auswahl an Arzneien zur Verfügung. Eine gute Diabeteseinstellung ist ein labiles Gleichgewicht, betonte Siegel. Nicht umsonst heiße es gerade in der Diabetologie: "Never change a winning horse."