Leitartikel zum Placebo-Effekt

Von Schamanen lernen

Es kommt auch darauf an, wie, nicht nur womit der Arzt behandelt. Manchmal ist es sogar primär das Ritual, das zur gewünschten Wirkung führt. Vor allem in der Schmerztherapie lohnt es sich, tief in die Trickkiste zu greifen.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Akupunktur: Hier tobt noch ein Expertenstreit, ob es signifikante Unterschiede zwischen "richtigem" Nadeln und Scheinakupunktur gibt.

Akupunktur: Hier tobt noch ein Expertenstreit, ob es signifikante Unterschiede zwischen "richtigem" Nadeln und Scheinakupunktur gibt.

© ECH (European Council for Homeopathy)

Die Situation kennt wohl jeder. Das kleine Kind fällt auf die Nase und heult, die Mutter versucht, es mit viel Zuwendung und einem Lolly vom Schmerz abzulenken. Bald strahlt es wieder, obwohl die Nase erst so richtig anschwillt.

Im Prinzip funktioniert die Methode auch bei Erwachsenen, hier benötigt man jedoch weit ausgeklügeltere Maßnahmen, um Schmerzen und anderen Leiden zu lindern - die Show muss deutlich besser sein, denn so einfach lassen wir uns nicht überzeugen, dass bald alles wieder gut wird.

Dass Rituale wichtig für den Therapieerfolg sind, ist keine neue Erkenntnis, sie ist vermutlich so alt wie die Menschheit selbst, denn schließlich hatten Ärzte, Heiler und Schamanen über Jahrtausende hinweg kaum etwas anderes an der Hand als ihre Rituale, wenn sie Krankheiten aus dem Körper der Patienten trieben.

Die Medizin, so viel kann man sicher sagen, war lange Zeit kaum mehr als ein ritualisierter Appell an die Selbstheilungskräfte. Ein Versuch, uns davon zu überzeugen, dass wir wieder gesund werden, wenn wir nur stark genug daran glauben.

Und wer würde das nicht tun, wenn der Medizinmann um einen tanzt und ein Gebräu mit psychoaktiven Substanzen anbietet, auf dass bald die heraufbeschworenen Geister und Dämonen erscheinen, die es dann mit viel Getöse auszutreiben gilt.

Solche Schamanen sind und waren keine unwissenden Trottel, es waren in der Tat weise Männer und Frauen, die sehr geschickt die stärkste Medizin zu verabreichen wussten, derer sie habhaft werden konnten: Zuwendung, Imagination und Glauben.

In der heutigen Welt der evidenzbasierten Medizin verzichten wir nur allzu oft auf dieses alte Wissen. Sicher wird man eine fulminante bakterielle Infektion oder ein malignes Lymphom nicht durch Handauflegen und Gesänge vertreiben, ebenso wenig eine KHK oder einen Typ-2-Diabetes.

Dennoch sollten wir nicht vergessen, wie wichtig die Vehikel und die Rituale sind, über die wir die Therapie verabreichen. Bei bestimmten Erkrankungen, bei denen wir recht wenig ausrichten können, ebenso bei Schmerzen und bei psychischen Störungen wirkt das Ritual oft besser als die eigentliche Therapie. Oftmals ist es einzig das Ritual, das wirkt. Und das sollten wir nutzen.

Wie das etwa in der Schmerztherapie funktionieren kann, lesen Sie exklusiv in der "Ärzte Zeitung" digital vom 22.10...

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