Lazarus-Phänomen

Wenn Tote plötzlich wieder Lebenszeichen geben

Sehr selten aber häufiger als bisher gedacht kehren nach erfolgloser professioneller Wiederbelebung spontan Lebensfunktionen zurück. Notfallmediziner sprechen sich für Konsequenzen aus.

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Rettungssanitäter bei der Wiederbelebung: Bleibt der Erfolg aus, sollten Patienten noch mindestens zehn Minuten überwacht werden, raten Notfallmediziner.

Rettungssanitäter bei der Wiederbelebung: Bleibt der Erfolg aus, sollten Patienten noch mindestens zehn Minuten überwacht werden, raten Notfallmediziner.

© LIGHTFIELD STUDIOS / stock.adobe.com

Bozen. Ein Patient mit Kreislaufstillstand wird vom Notfallarzt wiederbelebt. Das Herz schlägt nicht mehr, es sind keine Lebenszeichen mehr vorhanden, das EKG zeigt eine Nulllinie oder Kammerflimmern an, die Wiederbelebung ist erfolglos. Nach 20 bis 30 Minuten Reanimation setzt der Notarzt die Wiederbelebung den Richtlinien entsprechend ab. Plötzlich, Minuten später und ohne Zutun von außen, zeigt der Patient wieder ein Lebenszeichen, atmet, hat Puls. Dieses als „Lazarus-Phänomen“ bekannte Ereignis haben viele Intensivmediziner schon beobachtet, berichtet das Forschungsnetzwerk „Eurac Research“ in einer Mitteilung.

Fast jeder zweite Notfallmediziner hat das Phänomen erlebt

Ein internationales Team* des Netzwerks hat nach eigenen Angaben zum ersten Mal alle in der medizinischen Literatur publizierten Fälle des Phänomens im Bereich der erweiterten Wiederbelebung durch professionelle Helfer systematisch analysiert (Scand J Trauma, Resuscit and Emerg Med 2020; 28:14). Die Ergebnisse könnten sich auf die gesamte Notfallmedizin auswirken, so „Eurac Research“.

Warum es Minuten nach einer erfolglos beendeten Wiederbelebung zu einer spontanen Rückkehr der Lebensfunktionen kommt, ist bislang unbekannt. Dieses Ereignis ist jedoch keinesfalls selten. In weltweiten Umfragen gaben 37 bis 50 Prozent der befragten Anästhesisten und Intensivmediziner an, derartige Phänomene schon erlebt zu haben, berichtet das Team.

Es fand bei der Durchforstung der gesamten medizinischen Literatur allein 65 dokumentierte Fälle. Das Phänomen war dabei 1982 erstmals beschrieben worden. „Wir vermuten aufgrund unserer Analysen, dass das Lazarus-Syndrom viel häufiger auftritt als es in der Literatur aufscheint“, wird der britische Notfallmediziner Les Gordon, Hauptautor der Studie, in der Mitteilung zitiert.

Die Mehrheit ohne neurologische Dauerschäden

Unter „Lazarus-Phänomen“ wurden dabei alle Fälle von Notfallpatienten mit Herzkreislaufstillstand zusammengefasst, die nach der Herz-Lungen-Wiederbelebung aufgegeben worden waren und dann eine spontane Rückkehr des Kreislaufs hatten. Es bezieht sich nicht auf die Wiederbelebung durch Laien. Von den 65 beschriebenen Fällen hat ein Drittel (22 Patienten) den Kreislaufstillstand überlebt, 82 Prozent davon (18 Patienten) ohne neurologischen Dauerschaden.

„Auch wenn es wenige scheinen, sind die Konsequenzen doch beträchtlich, wenn man an das beteiligte medizinische Personal, die Angehörigen, die rechtlichen Konsequenzen und die tägliche Anzahl der Patienten denkt, die Wiederbelebungsmaßnahmen benötigen“, unterstreichen die Studienautoren. Die Tatsache, dass die Mehrheit der Überlebenden keine Folgeschäden aufgewiesen hätten, sei von allergrößter Bedeutung.

Aufgrund ihrer Erkenntnisse empfehlen die Forscher, nach Beenden einer Herz-Lungen-Wiederbelebung den Patienten noch mindestens zehn Minuten mithilfe eines Elektrokardiagramms zu überwachen. Denn bei den 65 dokumentierten Fällen traten die Lebenszeichen im Durchschnitt nach fünf Minuten auf, die meisten innerhalb von zehn Minuten. (eis)

*Beteiligt an der Studie waren die Notfallmediziner Les Gordon vom University Hospitals Morecambe Bay Trust im UK, Mathieu Pasquier vom Universitätsspital Lausanne in der Schweiz, Hermann Brugger vom Institut für Alpine Notfallmedizin von Eurac Research in Bozen (Italien) und Peter Paal von der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg (Österreich).

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