Debatte eröffnet

Neue Praxisgebühr? Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin erntet Widerspruch

Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken hält die Wiedereinführung der Praxisgebühr für denkbar. Mit ihrer Position stößt sie auf Unverständnis. Kammer-Chef Hermann erinnert daran, dieses Instrument habe alle erhofften Ziele verfehlt.

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In Schleswig-Holstein trifft die von Landesgesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) angestoßene Diskussion über die Praxisgebühr auf Widerspruch.

In Schleswig-Holstein trifft die von Landesgesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) angestoßene Diskussion über die Praxisgebühr auf Widerspruch.

© Daniel Reinhardt/picture alliance

Kiel. Mit positiven Äußerungen über eine Praxisgebühr bei Arztbesuchen stößt die schleswig-holsteinische Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) auch beim Koalitionspartner auf Widerspruch.

Viele Besuche bei Hausärzten und Notaufnahmen müssten aus medizinischer Sicht nicht sein und belasteten ein ohnehin stark überlastetes System zusätzlich, erklärte der Grünen-Gesundheitspolitiker Jasper Balke am Mittwoch.

„Anstatt jetzt allerdings über Praxis- oder Notfallgebühren zu sprechen, sollte die Politik endlich einen Fokus auf medizinische Aufklärung und Bildung legen, um die gesellschaftliche Handlungskompetenz im Gesundheitsbereich nachhaltig zu stärken.“

Dies würde nicht nur zu einer Entlastung der Kapazitäten insgesamt, sondern indirekt auch zu einer Entspannung der finanziellen Situation der gesetzlichen Krankenkassen führen. In der Debatte über die Finanzierung der Gesundheitsversorgung hatte von der Decken in einem Interview auf die frühere Praxisgebühr verwiesen. „Sie war ein gutes Instrument und wäre eine Überlegung wert“, sagte sie dem Magazin „G+G“.

Harsche Reaktionen von der Opposition

„Ich hatte den Eindruck, dass sich die Menschen damals an die Praxisgebühr gewöhnt hatten. Die Summe war auch nicht so horrend, dass sie davon abgehalten hätte, eine medizinische Leistung in Anspruch zu nehmen“, äußerte von der Decken. Die Praxisgebühr mussten gesetzlich Versicherte von 2004 bis 2012 beim ersten Arztbesuch im Quartal in Höhe von zehn Euro entrichten. Sie stand in der Kritik wegen des bürokratischen Aufwandes.

Die Ministerin löste mit ihren Äußerungen lebhafte Kritik bei den Oppositionsfraktionen SPD und FDP aus. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagte der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage, eine Initiative zu einer Wiedereinführung der Praxisgebühr sei aus Kiel nicht geplant. Es sei Sache des Bundes zu sagen, wie er die Finanzen der GKV in den Griff bekommen wolle.

Mitte April ist der Entwurf für ein neues CDU-Grundsatzprogramm auf Bundesebene bekannt geworden. In dem Arbeitsentwurf für das Sozialkapitel wird die erneute Diskussion über dieses Instrument angeregt.

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Praxisgebühr hat alle Ziele verfehlt

Schleswig-Holsteins Ärztekammer-Präsident Professor Henrik Herrmann zeigte sich am Mittwoch irritiert über die Diskussion. Rückwirkend habe sich gezeigt, dass allenfalls wirtschaftlich schlechter gestellte Menschen den Arztbesuch aufgeschoben oder sogar auf ihn verzichtet hätten. Das sei widersinnig vor dem Hintergrund, dass Angehörige der unteren sozialen Schichten deutlich häufiger und schwerer krank sind als Besserverdiener, meinte Herrmann.

Zudem hätten Ärztinnen und Ärzte durch die Praxisgebühr einen enormen Verwaltungsaufwand gehabt. Wenn Gesundheitspolitiker die Praxisgebühr jetzt als geeignetes Instrument lobten, sei offenbar nicht bekannt, „wie sehr die Praxisgebühr ihr eigentliches Ziel verfehlt hat, das sie weder einer Steuerungs- noch Finanzierungsfunktion hatte“, so der Kammerpräsident. (dpa/eb)

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