HINTERGRUND

Als Herr der Träume kann man sogar fliegen

Von Julia Ranniko Veröffentlicht:
Durch die Lüfte schweben - das ist für Klarträumer außer Sex ein beliebtes Motiv.

Durch die Lüfte schweben - das ist für Klarträumer außer Sex ein beliebtes Motiv.

© Foto: Sandy Matzenwww.fotolia.de

Es klingt paradox: Im Schlaf kann man sich während eines Traums bewusst sein, dass man gerade träumt. Menschen, die solche sogenannten luziden Träume oder Klarträume haben, sind damit Herr ihrer eigenen Träume - sie können selbst bestimmen, welche Bilder im Kopf entstehen und welche nicht.

Ganz oben auf der Hitliste stehen bei ihnen: durch die Lüfte fliegen und Sex, wie der Mannheimer Traumforscher Dr. Michael Schredl berichtete. "Nur ungefähr ein Viertel aller Erwachsenen hat Studien zufolge jedoch mindestens ein Mal im Leben einen luziden Traum. Nur wenige Menschen wissen daher, welche spannenden Erlebnisse im Schlaf möglich sind."

Zur Klarstellung: Luzide Träume passieren im Schlaf - es handelt sich keineswegs um Tagträume oder um Vorstellungen beim Eindösen. "Ein echter Nachweis ist nur im Schlaflabor möglich", berichtet der Psychologe, der am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) forscht.

Die Träumer können das Traumgeschehen planen

So können luzide Träumer Dinge tun, die sie sich am Abend zuvor vorgenommen haben - etwa ihre Augen im Traum mehrere Male stark hin- und herbewegen, damit die Schlafforscher den Klartraum anhand der maschinell aufgezeichneten Signale bemerken. "Während des Träumens haben luzide Träumer eine gute Erinnerung an ihre Wacherlebnisse", erläuterte Schredl.

In den Klarträumen fühlen sich die Welt und der eigene Körper ähnlich an wie im Wachzustand: "Im Traum ist die Welt real." Manchmal schleichen sich allerdings auch bizarre Elemente ein - dass man etwa durch eine Wand laufen oder eben fliegen kann. Kneifen tut in einem Klartraum nicht so weh, und das Lesen längerer Texte ist nur schwer möglich, wie der Traumforscher berichtet. "Es geht eher um motorische Fähigkeiten", sagte er. Insgesamt gelten die lenkbaren Träume im Vergleich zu normalen Träumen als lebendiger und gefühlsintensiver.

Auch Alpträume werden besser bewältigt

Manche Klarträumer versuchten erst gar nicht, die Handlung ihres "Traumdrehbuchs" zu beeinflussen, sagte Schredl. "Sie lassen den Traum 'laufen‘ und können ihn mit dem Wissen, dass sie träumen, bewusster und intensiver erleben." Auch bei Alpträumen könne dieses Wissen helfen: "Weil im Klartraum nichts passieren kann, werden manche Kinder mutiger und sagen sich: Jetzt hau‘ ich das Monster, statt vor ihm wegzurennen." Aktive Strategien zur Angstbewältigung - sich zum Beispiel tagsüber mit der Traumsituation auseinanderzusetzen - seien jedoch häufig wesentlich wirksamer, um schlimme Träume zu bekämpfen, betonte Schredl.

Die plastischen Träume eignen sich auch für praktische Zwecke

Auch bei Psychotherapien können luzide Träume gezielt eingesetzt werden - zum Beispiel, um Konflikte zu lösen. Und Sportler können im Traum Bewegungsabläufe trainieren. Neben dem wissenschaftlichen Aspekt spiele aber auch der "Spaßfaktor" eine große Rolle, berichtet der Forscher: "Wer positive Träume hat, hat auch eine bessere Tagesstimmung." Im Buddhismus - dort werden Klarträume schon lange als Form der Meditation praktiziert - dienen sie der spirituellen Entwicklung. Schließlich solle man die Zeit, in der man schläft, nicht ungenutzt verstreichen lassen, heißt es dort.

Ob jeder Klarträume haben kann, ist bisher unklar. Mit viel Geduld und einem etwa vierwöchigen Training kann man es aber probieren - das hat auch Schredl selbst getan. "Man braucht Ausdauer, um es zu erlernen. Und man muss regelmäßig trainieren, damit es bleibt." Es gibt verschiedene Techniken: So kann man vor dem Einschlafen den Satz "Heute Nacht werde ich einen luziden Traum haben" wiederholen oder sich mehrmals am Tag die Frage stellen "Träume ich oder bin ich wach?"

Sinn dieser Strategie sei es, das Hinterfragen des eigenen Bewusstseinszustands auch im Traum zu ermöglichen.

Eine wichtige Voraussetzung für das luzide Träumen ist, sich überhaupt an Träume erinnern zu können. Studien haben gezeigt: Menschen, die regelmäßig meditieren, haben öfter Klarträume, und Frauen häufiger als Männer. Dennoch ist die Häufigkeit mit einem luziden Traum im Monat relativ gering.

Wer mehr zu diesem Thema wissen will, kann nachlesen: Michael Schredl/Georg Rüschemeyer: Träume. Die Wissenschaft enträtselt unser nächtliches Kopfkino. Ullstein-Verlag, 2007, 288 Seiten, 19,90 Euro.

Die Technik der Klarträume lässt sich sogar trainieren.

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