Aus für Sexualforschungs-Institut in Frankfurt

FRANKFURT/MAIN (dpa). Die Blütezeit der international angesehenen Sexualwissenschaft in Frankfurt ist vorbei: Das Universitäts- Institut schließt zum 1. Oktober nach 33 Jahren trotz vieler Proteste. Gründe sind die Pensionierung des Gründers und Direktors, Professor Volkmar Sigusch, und Geldnot.

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Das sei eine "verrückte Entscheidung der Frankfurter Universität", kritisiert der stellvertretende Bundesvorsitzende von pro familia, Professor Gunter Schmidt. Er bedauert die "verpaßte Chance", eines der letzten Institute der Disziplin in Deutschland zu erhalten, das klinische und sozialwissenschaftliche Forschung miteinander verbunden hat.

Sigusch gilt als Begründer der "kritischen Sexualwissenschaft", der es vor allem um das Verhältnis der Gesellschaft zu den Individuen geht. Der mehrfach ausgezeichnete Arzt und Soziologe veröffentlichte hunderte wissenschaftliche Aufsätze und Bücher. Er war mehrfach Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung und ist Mitherausgeber der "Zeitschrift für Sexualforschung".

Die Zukunft der in Frankfurt geprägten Forschung könne im Institut des Sexualwissenschaftlers Magnus Hirschfeld (1868 bis 1935) in Berlin liegen, hoffen Schmidt und Sigusch. Der Verein "Queer Nations" bemüht sich seit knapp eineinhalb Jahren darum, die 1933 von den Nationalsozialisten zerstörte Hirschfeld-Einrichtung wieder aufzubauen.

Der Soziologe und "Queer-Nations"-Vorstand Jan Feddersen ist optimistisch, daß das Berliner Institut Ende 2007, spätestens Anfang 2008, eröffnet werden und "einen Teil der Tradition des Frankfurter Instituts bewahren" kann.

Die Zukunft der Sexualwissenschaft in Frankfurt sieht pro-familia- Forscher Schmidt verhalten. Die Professur sei heruntergestuft worden, und die Stelle noch lange nicht besetzt: Die Universität will als Ersatz für das Sigusch-Institut am Zentrum für Psychiatrie des Klinikums eine neue Professur für Sexualmedizin besetzen. "Die Hoffnung der Gegner ist doch, daß in zwei Jahren kein Hahn mehr danach kräht", sagt Schmidt.

Sigusch betont dagegen: "Ich gehe ohne jeden Groll und jede schlechte Stimmung." Der Vorstand der Uniklinik habe dafür gesorgt, daß die sexualmedizinische Ambulanz fortgesetzt werde. Dort wurden jährlich gut 300 Menschen mit sexuellen Störungen behandelt. Sigusch selbst will "so weiter machen wie bisher". Im Frühjahr 2007 werde sein Buch über 150 Jahre Sexualwissenschaft erscheinen.

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