Forderung

Braucht es E-Scooter-Fahrschulen?

Behinderten-Vertreter ärgern sich über E-Tretroller-Fahrer: Sie seien nicht auf behinderte Verkehrsteilnehmer eingestellt. Auch der Sozialverband VdK übt Kritik. Die Lösung: Fahrschulen?

Von Anja Sokolow und Andreas Hoenig Veröffentlicht:

Berlin. Sie fahren auf Gehwegen, immer wieder auch betrunken, und lassen ihre Gefährte mitten auf Bürgersteigen stehen oder liegen: Manche Fahrer von E-Tretrollern gefährden nicht nur sich selbst, sondern auch andere. Ein Problem ist das vor allem für Behinderte. „Wir sind strikt gegen E-Tretroller. Die Zulassung kam übereilt und viel zu schnell“, sagt der Vorsitzende des Berliner Behindertenverbands, Dominik Peter. Er fordert verpflichtende Kurse für alle E-Rollerfahrer.

„Die E-Tretroller können eine echte Stolperfalle sein“, ergänzt Stephan Heinke, Leiter des Gemeinsamen Fachausschusses Umwelt- und Verkehr beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband.

Vier Praxisstunden gefordert

„Man kann echt viel mit den Rollern anstellen. Ich verstehe nicht, warum man nicht sagt: Bevor die Nutzung erlaubt ist, muss man vier praktische Stunden absolvieren, in denen auf die Gefahren hingewiesen wird“, so Peter. „Im Prinzip muss auch der öffentliche Raum komplett neu eingeteilt werden. Wir haben jetzt eine neue Gruppe von Menschen, die im Verkehr unterwegs ist“, ergänzt er. Da müsse man klären, wie man diese Gruppe einbinden könne.

Aus seiner Sicht ist auch die Altersgrenze zu niedrig angesetzt. Sie liegt für E-Tretroller – auch E-Scooter genannt – bei 14 Jahren.

„Ordnungsamt und Polizei müssten konsequenter im Einsatz sein und kontrollieren“, fordert Heinke. Auch das Strafmaß für Missachtung der Regelungen müsse deutlich höher sein. „Die jetzigen Bußgelder sind keine wirklichen Strafen“, so Heinke. Bei Verstößen sind unterschiedliche Bußgelder fällig. Nach ADAC-Angaben kostet etwa das Fahren mit einem E-Tretroller auf dem Gehweg bis zu 30 Euro. Das Fahren ohne eine Betriebserlaubnis kostet 70 Euro.

Fehlende Rücksichtnahme

Ein großes Problem für Blinde sei es auch, dass sie herannahende E-Roller nicht sehen und daher nicht zur Seite gehen könnten. „Ein junges Mädchen aus unserem Verband wurde bereits von einer Rollerfahrerin in Berlin angerempelt und auch noch beschimpft, weil es nicht ausgewichen ist“, berichtet Heinke. „Auch Rollstuhlfahrer können nicht so schnell ausweichen“, ergänzt Dominik Peter. „Unsere Mitglieder fühlen sich inzwischen sehr unsicher in der Stadt, weil die E-Tretroller sehr schnell auf den Gehwegen unterwegs sind“, berichtet er.

Der Sozialverband VdK übt ebenfalls Kritik. „Für kleine Kinder, für Ältere und für Menschen mit Behinderung ist das Risiko am höchsten. Sie können oft nicht so schnell reagieren und zur Seite springen, wie es notwendig wäre“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. E-Roller in diesem großen Maßstab einzuführen, sei unbedacht gewesen. Es müsse besser kontrolliert werden, wer wo mit den Rollern fahre. Und: „Wir fordern auch eine 0,0-Promille-Grenze für alle, die E-Roller fahren. Manche sind alkoholisiert unterwegs, was die Sache noch gefährlicher macht.“

30 Euro Bußgeld kostet es laut ADAC, wenn mit dem E-Roller auf dem Bürgersteig gefahren wird.

Angelina Herwig vom Vorstand der Bundesvereinigung Eltern blinder und sehbehinderter Kinder sagt, sie sei nicht gegen E-Tretroller. „Die sind aus meiner Sicht nicht gefährlicher als Fahrräder“, so die Mutter eines blinden Sohnes aus Kassel. „Es ist vor allem eine Sache der gegenseitigen Rücksichtnahme“, betont sie. „Blinde sind einfach darauf angewiesen, dass andere Rücksicht nehmen.“ Dafür müssten E-Tretrollerfahrer sensibilisiert werden, meint sie.

Kommunen am Zug?

Immer mehr E-Scooter sind in den Städten unterwegs – und die Probleme nehmen zu. Meldungen über Unfälle häufen sich. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat die Kommunen zu einem härteren Durchgreifen aufgerufen. „Um den Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer jederzeit zu gewährleisten, sind wir dabei auf die Mitwirkung der Städte und Kommunen angewiesen“, heißt es in einem Brief des CSU-Politikers an den Präsidenten des Deutschen Städtetags, den Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD).

Der Verband weist darauf hin, dass für die Kontrolle des fließenden Verkehrs und damit für die Ahndung von Verstößen gegen die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung die Polizei zuständig sei. E-Roller sind seit Juni in Deutschland zugelassen. Mehrere Anbieter stellen die kleinen Fahrzeuge seither in etlichen Städten zum Ausleihen zur Verfügung. Sie dürfen bis zu 20 Kilometer pro Stunde schnell fahren und müssen eine Lenk- oder Haltestange haben. Fahren müssen E-Scooter auf Radwegen. Gibt es keine, müssen sie auf die Fahrbahn. (dpa)

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