Dem Spermiogramm fehlt noch der Standard

Wenn bei Unfruchtbarkeit der Verdacht auf den Mann fällt, wird oft ein Spermiogramm gemacht. Am aussagekräftigsten ist es, wenn die Spermien zuhause gesammelt werden.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Spermien unter dem Mikroskop, tausendfach vergrößert. © Manfred P. Kage

Spermien unter dem Mikroskop, tausendfach vergrößert. © Manfred P. Kage

© Manfred P. Kage

Wird bei Männern eine verminderte Fruchtbarkeit angenommen, so liefert das Spermiogramm wichtige Hinweise. Allerdings ist die Methode bislang nur wenig standardisiert - das Ergebnis hängt dabei stark von den Umständen ab, unter den die Samenprobe genommen wird, berichten Dr. Markus Nitzschke und Mitarbeiter von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde in Bern. Auch empfehlen die Reproduktionsmediziner, zwei Spermienproben im Abstand von ein bis drei Wochen zu untersuchen (Gynäkologische Endokrinologie 7, 2009, 80).

Nach dem Laborhandbuch der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegen dabei die Referenzwerte für die Spermienkonzentration bei über 20 Mio/ml, der Anteil der motilen Spermien sollte über 50 Prozent liegen, für die Morphologie, dem dritten wichtigen Parameter, wurde jedoch kein Referenzwert festgelegt.

Vergleichsstudie liefert Werte für Subfertilität

Als Anhaltspunkte für eine Subfertilität bei Männern können auch Daten einer großen Vergleichsstudie mit knapp 1400 Teilnehmern dienen, von denen die Hälfte ungewollt kinderlos war. Bei ihnen lag die Spermienkonzentration unter 13,5 Mio/ml, der Anteil motiler Spermien unter 32 Prozent, und weniger als 9 Prozent der Spermien waren morphologisch normal. Dagegen lag bei den Männern mit Kindern die Spermienkonzentration über 48 Mio/ml, die Motilität über 63 Prozent, und die Morphologie war bei über 12 Prozent der Spermien in Ordnung.

Allerdings können solche Werte bei einzelnen Patienten um den Faktor zwei bis drei fluktuieren und hängen etwa von Art und Zeitpunkt der Probenahme ab. So war die Spermienqualität in Studien deutlich besser, wenn die Proben nicht per Masturbation, sondern beim Geschlechtsverkehr genommen wurden. In einer Studie mit 38 Teilnehmern betrug die Spermienkonzentration beim Geschlechtsverkehr im Schnitt knapp 100 Mio/ml, in per Masturbation gewonnenen Proben derselben Männer lag sie bei 44 Mio/ml.

Der Anteil motiler Spermien betrug bei Masturbation 11 Prozent und beim Koitus 32  Prozent. In den koitalen Proben waren auch Marker für die Prostata-Aktivität erhöht, so das sich die bessere Spermienqualität beim Geschlechtsverkehr vermutlich auf eine erhöhte Prostata-Sekretion zurückführen lässt.

Ein weiterer Faktor für die Spermienqualität ist der zeitliche Abstand zum vorhergehenden Koitus. So wird in vielen Kinderwunschkliniken empfohlen, mindestens zwei bis sieben Tage vor der Samenabgabe sexuell abstinent zu bleiben, da unmittelbar nach einem Koitus die Spermienqualität schlechter ist. Nach neuen Daten gilt diese jedoch nur für Männer mit normalem Spermiogramm.

Bei subfertilen oligozoospermen Männern verhält es sich im Gegensatz dazu praktisch umgekehrt: Spermienmorphologie und -motilität sind nach einer Abstinenzzeit von wenigen Stunden bis zu einem Tag am besten, die Spermienkonzentration steigt bis Tag vier an und nimmt dann wieder ab. Bei normal fertilen Männern steigt die Konzentration bis Tag sieben.

Zuhause wird die beste Spermienqualität erreicht

Zuletzt ist auch relevant, wo die Probennahme erfolgt. In Studien war die Spermienkonzentration um 50 Prozent höher, wenn die Proben zuhause und nicht in einem klinischen Zentrum genommen wurden, was damit erklärt wird, dass eine sterile Klinikatmosphäre zu Stressreaktionen führt. Spermienproben bei subfertilen Männern liefern daher das beste Ergebnis, wenn sie zuhause beim Koitus genommen werden, und das nach möglichst kurzer Abstinenzzeit, stellen Nitzschke und Mitarbeiter fest.

Diese Erkenntnisse sind nicht nur für ein aussagekräftiges Spermatogramm von Bedeutung, sondern auch für die Therapieentscheidung und den Therapieerfolg. So werden etwa für eine intrauterine Insemination je nach Anteil morphologisch normaler Spermien zwischen 1 und 5 Millionen motile Spermatozoen im Inseminat benötigt. Falls diese Werte nicht erreicht werden, sollte man eine In-vitro-Fertilisation (IVF) empfehlen. Manche Reproduktionsmediziner raten zur IVF schon bei weniger als 10 Mio motiler Spermien im Nativspermiogramm. Sind es weniger, werden meist so viele Inseminationszyklen bis zum Erfolg benötigt, dass die IVF kostengünstiger ist.

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