30 Jahre Mauerfall

Die DDR war Schulstoff – und Geschichte

Er war noch gar nicht geboren, als der Mauerfall die Welt veränderte. Heute ist Gregor Stallmann Arzt.

Von Petra Zieler Veröffentlicht:
Im Team: Hausärztin Dr. Dorothea Brauer und Arzt in Weiterbildung Gregor Stallmann.

Im Team: Hausärztin Dr. Dorothea Brauer und Arzt in Weiterbildung Gregor Stallmann.

© Petra Zieler

Die DDR kennt Gregor Stallmann nur aus Erzählungen. Eltern, Großeltern, die Leute im Dorf erinnern hin und wieder. Wie es damals war und was es mit dem sozialistischen deutschen Staat auf sich hatte. Das war auch Schulstoff – interessant, aber eben Geschichte.

Geboren im Dezember 1989, ist Gregor in einem vereinten Deutschland aufgewachsen, ohne Mauer und Stacheldraht. Obwohl die Leute sagen, dass der Zusammenhalt in der DDR besser gewesen sei, hat Gregor Trennendes zwischen Ost und West nie bewusst erlebt. Zu Hause nicht, auch nicht beim Studium. „Wer aus dem Osten oder dem Westen kam, wusste jeder. Doch es spielte keine Rolle.“

Gregor ist überzeugt, dass auch letzte Unterschiede bald verschwinden. Die waren im kleinen Heimatdorf Zobbenitz am Rande der Altmark ohnehin nie zu spüren. „Erzählungen nach ist der Ort im 30-jährigen Krieg verschont geblieben, weil niemand ihn gefunden hat.“ 327 Einwohner leben dort. Geschichte wird hier kaum geschrieben. Dennoch beeinflusst, verändert sie das Leben auch dort.

Studieren? Das war ein Novum

Gregors Eltern, beide nach Ausbildung und Studium in der Landwirtschaft zu Hause, haben nach der Wende noch einmal ganz von vorn begonnen. „Vater hat eine eigene Fleischerei aufgemacht, meine Mutter arbeitet heute im Landwirtschaftsministerium.“ Dass der Sprössling einmal Medizin studieren würde, war ein Novum in der Familie. „Für mich stand das schon lange fest. Ich wollte Zahnarzt wie Onkel Henning werden.“

Wäre das möglich gewesen in der DDR? Wer weiß. Gregors Mutter jedenfalls war das Abitur auf direktem Weg verweigert worden. „Mein Opa war nicht der linientreuste, hat öfter mal ,gestänkert‘, nie mit seiner Meinung hinter dem Berg gehalten.“ Eigentlich sollte auch Gregor nicht aufs Gymnasium. Seine Lehrerin hatte abgeraten. „Sie glaubte wohl, ich würde da untergehen.“

Doch das Gegenteil geschah. Der Junge ging plötzlich gern zur Schule, verbesserte seinen Notendurchschnitt enorm und blieb bis zum Abi ein sehr guter Schüler. Die Abschlussnote 1,3 sicherte den sofortigen Studienplatz. „Ein Jahr Zivildienst im Krankenhaus hatten mich bestärkt, bei der Medizin zu bleiben, statt der Zahn-, allerdings lieber die Humanmedizin. Das Ganzheitliche war mir wichtiger.“

Nach dem dritten Studienjahr fiel die Entscheidung pro Allgemeinmedizin. „Ich hatte zwar auch die Kardiologie im Blick. Aber nach einer Famulatur in einer Hausarztpraxis, war mir klar, genau das will ich auch.“ Folgerichtig bewarb sich der Medizinstudent für ein Stipendienprogramm bei der KV Sachsen-Anhalt, das gegen den Hausarztmangel im Land aufgelegt worden ist. Die 400 bis 600 Euro monatlich waren an die Verpflichtung geknüpft, zwei Jahre nach der Facharztprüfung in einer unterversorgten Region Sachsen-Anhalts zu praktizieren. Für Gregor kein Thema. „Ich wollte ohnehin hierbleiben.“

„Er wäre als Nachfolger perfekt“

Derzeit arbeitet Gregor Stallmann in der Praxis von Dipl.-Med. Dorothea Brauer, Hausärztin und Chirotherapeutin in Magdeburg. Die KOSTA (Koordinierungsstelle für die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin bei der Landesärztekammer) hatte den Weg geebnet. „Wir haben uns auf Anhieb verstanden“, sagt Gregor und die Chefin ergänzt: „Die Patienten mögen ihn. Er ist ein sehr guter Arzt.“ Wenn die langjährige Hausärztin einen Wunsch frei hätte, dann den, dass ihr Assistenzarzt später die Praxis übernimmt. In etwa zwei Jahren, wenn Gregor seinen Facharzt in der Tasche haben wird, will sie sich langsam aus dem Berufsleben zurückziehen. „Mit Herrn Stallmann als Nachfolger wäre das perfekt.“

Doch ob Magdeburg bis Ende 2021 auch eine unterversorgte Region sein wird und damit der Weg für diese Wunschkonstellation geebnet wäre, ist fraglich. Der junge Arzt sieht’s mit Gelassenheit. „Ich bin auf dem Land groß geworden. Ich kann auch dort praktizieren.“ Sorgen um seine berufliche Zukunft hat der angehende Hausarzt nicht.

Gregor Stallmann

  • Geboren im Dezember 1989, arbeitet als Arzt in einer hausärztlichen Praxis.
  • Dipl.-Med. Dorothea Brauer, seine Chefin, wünscht sich, dass ihr Assistenzarzt später ihre Praxis übernimmt.

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