Dokumentieren, was man nicht begreifen kann

Nürnberg als Tagungsort: Eine Ausstellung während des Ärztetages erinnert an das Schicksal jüdischer Ärzte, denen die Approbation entzogen wurde.

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Ärztetags-Delegierte vor Ausstellungstafeln in Nürnberg.

Ärztetags-Delegierte vor Ausstellungstafeln in Nürnberg.

© Wawarta

NÜRNBERG (fst). Der Deutsche Ärztetag erinnert in Nürnberg mit einer Ausstellung an das Schicksal jüdischer Ärzte in der NS-Zeit. Ihnen wurde im September 1938 endgültig die Approbation entzogen, sie wurden verfolgt, ins Exil getrieben oder ermordet.

Ärzte, sagte Kammerpräsident Dr. Frank Ulrich Montgomery bei der Eröffnung des Ärztetages am Dienstag, "haben in der Zeit des Nationalsozialismus Tod und Leiden von Menschen herbeigeführt, angeordnet oder gnadenlos verwaltet".

Wo man Geschehenes nicht begreifen könne, "wollen wir wenigstens dokumentieren, damit wir nie vergessen", sagte er.

Prophetisch waren die Worte des Münchener Zahnarztes Dr. Fritz Baron, der bereits 1934 aller Berufsämter enthoben wurde: "Wir sind verloren, aber Deutschland ist es auch."

Die Ausstellung, die unmittelbar vor dem Tagungssaal des Ärztetages aufgebaut wurde, erinnert bis Freitag beispielhaft an das Schicksal von 20 jüdischen Ärztinnen und Ärzten.

In Nürnberg waren allein 118 Mediziner vom Approbationsentzug betroffen, im damaligen Deutschen Reich rund 8000. Dies sei der Versuch, erklärten die Kuratoren Dr. Hansjörg und Ursula Ebell, einzelne Schicksale aus der Anonymität zu holen.

Lebenslang gekennzeichnet

Die Ausstellung trägt den Titel "Fegt alle hinweg" und nimmt damit einen Ausspruch des Vorsitzenden des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes, Dr. Gerhard Wagner, auf.

Dieser hatte schon im März 1933 erklärt: "Fegt alle hinweg, die die Zeichen der Zeit nicht verstehen wollen." Die schrittweise Entrechtung mündete am 30. September 1938 im Entzug der Approbation für alle jüdischen Ärzte.

5000 Ärzte flohen ins Exil, nicht allen gelang es, sich eine neue Existenz aufzubauen. Dr. Jakob Frank (1871-1953) beispielsweise, bis 1933 Chirurg und Chefarzt des Fürther Krankenhauses, musste nach der Flucht in den USA als Krankenpfleger seinen Unterhalt verdienen.

Doch auch wer der Vernichtung entkam, blieb lebenslang gezeichnet: "Das Trauma der Verbannung ist nicht auslöschbar", lautet das Fazit eines anderen Arztes.

Wie lange es gedauert hat, bis in der Ärzteschaft eine Erinnerungskultur etabliert wurde, hat Kammerpräsident Montgomery selbst erfahren. Beim Dienstantritt als Kammerchef in Hamburg im Jahr 1994 verwies man ihn auf den Tresor im Präsidentenzimmer.

Man warnte ihn, berichtete Montgomery, darin befinde sich eine "Giftliste". Im Tresor fand er ein Register mit den Namen der jüdischen Ärzte, denen die Approbation entzogen worden war.

Es geht, befand Montgomery bei der Ausstellungseröffnung, "auch um das Aufarbeiten unseres eigenen Versagens."

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