Barrierefrei

Drei Jahrzehnte „Leichte Sprache“

Zwar gibt es Gesetze, wonach Bundesbehörden Informationen in Leichter Sprache bereitstellen müssen, tatsächlich wissen die wenigsten Betroffenen, dass sie das einfordern können.

Veröffentlicht:
„Leichte Sprache“ soll Menschen mit einer geistigen Behinderung helfen, Texte besser zu verstehen.

„Leichte Sprache“ soll Menschen mit einer geistigen Behinderung helfen, Texte besser zu verstehen.

© Sven Hoppe/dpa

München/Bremen. Knapp 30 Jahre nach ihrer Einführung führt die „Leichte Sprache“ noch immer ein Nischendasein.

„Leichte Sprache ist von Menschen mit geistiger Behinderung gefordert und erdacht worden“, berichtet Marion Klanke vom Büro für Leichte Sprache der Lebenshilfe Bremen. Rund 900 000 Betroffene verzeichnen die Statistiken aktuell. „Man hat aber schnell gemerkt, dass noch viele andere Zielgruppen von Texten profitieren, die möglichst leicht verständlich sind.“

Dazu gehören Menschen, die nur schlecht lesen können. In Deutschland gibt es der aktuellen LEO-Studie zufolge rund 6,2 Millionen Erwachsene, die maximal einzelne Sätze lesen oder schreiben können. Hinzu kommen diejenigen, die gerade erst Deutsch lernen.

Sprache kann Barriere sein

Auch Patienten, die etwa aufgrund eines Schlaganfalls eine Störung des Sprachzentrums haben, oder Gehörlose, die Gebärdensprache als Muttersprache haben und denen deshalb die anders funktionierende Schriftsprache Schwierigkeiten macht. „Dennoch ist das Bewusstsein, dass auch Sprache eine Barriere sein kann, noch nicht so weit verbreitet“, bilanziert Klanke.

Zwar gibt es inzwischen Gesetze, wonach Bundesbehörden Informationen in Leichter Sprache bereitstellen müssen, wenn dies ein Mensch mit geistiger Behinderung verlangt. „Tatsächlich wissen die wenigsten Betroffenen, dass sie das einfordern können, und noch viel schlimmer: Die wenigsten Amtsträger sind darauf vorbereitet“, berichtet Klanke. Dabei sei Leichte Sprache nichts anderes als „die Rampe für den Rollstuhlfahrer“.

Und was ist jetzt Leichte Sprache? „Leichte Sprache hat kurze Sätze, kurze Wörter, und wenn es Fremdwörter gibt, müssen die erklärt werden“, zählt Thorsten Lotze vom Netzwerk Leichte Sprache auf.

Auch das Layout ist ein wichtiger Bestandteil, weil sich Menschen mit Lernschwierigkeiten sich im Blocksatz oft verlieren. „Wir machen viele Absätze, haben ein luftiges Layout, eine Schriftgröße mit mindestens 14 Punkt und 1,5-fachen Zeilenabstand.“

Bilder und Illustrationen wichtig für das Verständnis

Auch Bilder und Illustrationen sind für das Verständnis des Textes enorm wichtig. „Das Bild ist nicht möglichst schön, es hat auch nicht die Funktion, gewisse Stimmungen zu erzeugen. Stattdessen muss der Gegenstand gut erkennbar und die Illustration eine zusätzliche Erklärung des Geschriebenen sein“, erläutert Constanze Kobell, Übersetzerin für Leichte Sprache aus München.

Sie gehört zu den zertifizierten Übersetzern, die ihr Handwerkszeug in einer achttägigen Schulung gelernt haben und nach dem Qualitätskodex des Netzwerks Leichte Sprache arbeiten. Dazu gehört nicht nur die Beachtung der festgeschriebenen Regeln, sondern auch zwingend die Prüfung durch zwei Leser aus der Zielgruppe.

Im Klartext: Eigens geschulte Menschen mit geistiger Behinderung lesen, oft im Rahmen ihrer Beschäftigung in einer Behindertenwerkstätte, die Texte gegen und bemängeln alles, was sie nicht verstehen. (dpa)

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Weit weg von WHO-Zielen

hkk-Daten zeigen laue HPV-Impfquoten

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Kommunikation und Datenschutz

Neue Perspektiven für IT in der Praxis

Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“