Der Doktor kommt per Tablet

Ein Landarzt macht Videosprechstunden

Ein Landarzt in NRW kämpft gegen Unterversorgung - mit technischen Hilfsmitteln. Seinen Patienten bietet er Videosprechstunden an und spart beiden so die lange Anfahrt. Was und wie behandelt der Arzt per Computer?

Von Lukas Pöggeler Veröffentlicht:
Zukunft der Patientenversorgung? Dr. Thomas Aßmann bietet Video-Sprechstunden an.

Zukunft der Patientenversorgung? Dr. Thomas Aßmann bietet Video-Sprechstunden an.

© Oliver Berg / dpa / picture alliance

LINDLAR. Direkt hinter dem Haus von Marianne Hagen beginnt der Wald. Bis Hausarzt Dr. Thomas Aßmann bei Patienten wie der 84-Jährigen im dünn besiedelten Oberbergischen Land ist, dauert es. "25 Minuten Anfahrt, fünf Minuten beim Patienten und 25 Minuten Rückweg - das ist hier auf dem Land ganz normal", sagt er.

Dann hatte er eine Idee, wie er sich die mühsamen Anfahrtswege sparen und dadurch mehr Zeit für die Patienten haben kann. Der Landarzt aus Lindlar bei Köln entwickelte ein Telearzt-Projekt (ähnliches ist mittlerweile auch im Anfang des Jahres in Kraft getretenen E-Health-Gesetz verankert).

Dabei spielt Frauke von Wirtz als Versorgungsassistentin eine wichtige Rolle. Wenn zum Beispiel Marianne Hagen untersucht werden muss, schnappt sich von Wirtz den Telemedizin-Rucksack. Darin steckt unter anderem ein Blutdruckmessgerät, ein Pulsoximeter und ein 3-Kanal-EKG-Gerät. Dann fährt sie los.

Praxis kommt zum Patienten

"Die Praxis fährt zum Patienten hin", beschreibt Aßmann das System. Vor Ort macht von Wirtz bei der 84-Jährigen ein EKG und misst ihren Blutdruck - und Aßmann wird per Video über ein Tablet zugeschaltet. "Ich habe den Doktor in der Tasche", sagt von Wirtz. Der persönliche Kontakt mit dem Patienten leide deshalb nicht.

Die Messwerte werden in die Praxis geschickt. "Das System ist geschlossen. Die anonymisierten Daten kommen vom Tablet in die Praxis - der Anbieter speichert keine Patientendaten", erklärt Aßmann.

Patientin Hagen ist angetan von dem Projekt. Frauke von Wirtz sei mit dem "Wunderkoffer" immer schnell bei ihr. Seit Oktober läuft die Testphase, und Aßmann möchte das System nun noch ausweiten: "Wir wollen ein Gesamtsystem entwickeln, in dem der Hausarzt den Kern bildet und Spezialisten wie Kardiologen hinzugeschaltet werden können." Der Hausarzt kenne die Vorgeschichte und die Medikamente der Patienten und habe deshalb den besten Überblick.

Krankenkassen sind neugierig

Krankenkassen interessieren sich schon für das Modell. "Wichtig ist, dass wir Lösungen entwickeln, wie die älter werdende Bevölkerung mit gleich guter Qualität von dem jeweiligen Hausarzt versorgt werden kann", sagt Ursula Marschall von der Barmer GEK.

Durch das Modell würden Rettungsdienstrufe und damit verbundene Krankenhausaufenthalte weitgehend vermieden. Der Patient könne zu Hause versorgt werden und spare sich beschwerliche Transporte zur Hausarztpraxis. Auch der Betriebskassen-Dachverband GWQ arbeitet bei dem Projekt mit. Momentan geht es darum, das Projekt in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern zu etablieren.

Nur Routineuntersuchungen

"Gegen das Modell in Lindlar haben wir nichts einzuwenden", sagt Horst Schumacher, Sprecher der Ärztekammer Nordrhein. "Die herkömmliche Behandlung wird durch moderne Methoden ergänzt." Dem Ärztemangel, auf dem Land werde so entgegengesteuert. Der Doktor könne sich mehr darauf konzentrieren, mit dem Patienten zu sprechen, weil er Routineaufgaben abgebe.

Momentan darf von Wirtz aus rechtlichen Gründen nur Routineüberprüfungen machen. Die Erstbehandlung darf ausschließlich der Arzt selbst durchführen. In der Schweiz und in den Niederlanden sei die Politik da schon liberaler, sagt von Wirtz. Technisch wäre schon jetzt einiges mehr möglich, zum Beispiel Ultraschalluntersuchungen, so Aßmann.

Während sich Frauke von Wirtz auf den Weg zurück in die Praxis macht, wartet auf Aßmann schon der nächste Patient. Diesmal nicht auf dem Bildschirm, sondern nebenan im Behandlungszimmer. (dpa)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Kommunikationstrainer gibt Tipps

Aggressive Patienten: So können Ärztinnen und Ärzte deeskalieren

Situation im Gesundheitswesen

Umfrage: Große Bedenken wegen hausärztlicher Versorgung

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Dr. Henning Fischer 20.06.201613:00 Uhr

"... Blutdruckmessgerät, ein Pulsoximeter und ein 3-Kanal-EKG-Gerät ..."


- in wievielen Fällen wird das tatsächlich gebraucht? (Indikation?)

- rei technische ohne jede körperliche Untersuchung?

- das soll den Arzt entlasten / ersetzen?

mir wird übel, gaaanz übel

bei dieser unsinnigen Kaschierung des Ärztemangels, der dadurch in keinster Weise gebessert wird.

der Ärztemangel muß spürbar und allgegenwärtig sein, damit die dumpf-stupide Politik endlich aufwacht!


Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Leitliniengerechte Therapie mit DiGA

© Paolese / stock.adobe.com (Model mit Symbolcharakter)

Neuer Therapieansatz bei erektiler Dysfunktion

Leitliniengerechte Therapie mit DiGA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Kranus Health GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Kommunikationstrainer gibt Tipps

Aggressive Patienten: So können Ärztinnen und Ärzte deeskalieren

Lesetipps