Umfrage der KVWL

Ein Viertel der Praxen in Westfalen-Lippe hat bereits Erfahrung mit Gewalt

Das Ausmaß der Gewalt in Arztpraxen ist groß, wie eine Erhebung der KV Westfalen-Lippe zeigt. Sie trägt dazu bei, dass der Arbeitsplatz Praxis unattraktiver wird.

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Dortmund. Verbale und körperliche Gewalt sind in den Praxen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten keine Randerscheinung mehr. In Westfalen-Lippe haben 24 Prozent von ihnen schon einmal Gewalt in der Praxis erlebt – und deshalb darüber nachgedacht, die Praxis aufzugeben. 18 Prozent haben aufgrund von Gewalterfahrungen Probleme, ausreichend Personal für die Praxis zu finden.

Das zeigt eine Blitzumfrage der KVWL, an der sich Ende August/Anfang September 760 Mitglieder beteiligt hatten, immerhin rund 20 Prozent der Angeschreibenen. Die KBV hat eine ähnliche Befragung gemacht. Die KVWL wollte aber wissen, wie genau es in ihrem Bezirk aussieht.

„Es bleibt nicht bei verbalen Attacken“, berichtete der KV-Vorsitzende Dr. Dirk Spelmeyer in einer Online-Pressekonferenz. Zum Teil werde Praxismobiliar zerstört, es komme zu sexuellen Belästigungen der Mitarbeiterinnen und sogar zu Morddrohungen gegen Ärzte und ihre Familien.

Eine Praxis ist in die Offensive gegangen

Die Gemeinschaftspraxis Dres. Brekle & Rasch in Rheine-Mesum hat auf unangemessenes und rücksichtsloses Verhalten reagiert. Im Dezember 2022 hat die Praxis einen offenen Brief zu dem Thema ausgelegt und geschildert, wie sich manche Patientinnen und Patienten aufführen, wenn es nicht so läuft, wie sie sich das wünschen.

Damit habe man sich bei denjenigen bedanken wollen, die sich angemessen verhalten, sagte die Allgemeinmedizinerin Anne Greiwe. „Wir möchten gern ein familiäres Umfeld in der Praxis haben.“

Die Resonanz sei sehr groß gewesen, berichtete sie. „Wir haben viele Anfragen von anderen Praxen bekommen.“ Viele Patienten hätten ungläubig reagiert. Das Praxisteam habe viel Zuspruch und auch Geschenke bekommen. Manchen habe der Vorstoß allerdings nicht gefallen. „Die wollten sich das nicht bieten lassen.“

Inzwischen hat sich die Situation nach Angaben der Ärztin verbessert, vielleicht auch, weil der zusätzliche Druck durch die Corona-Pandemie vorbei ist. „Respektlosigkeit gibt es immer noch jeden Tag, aber es ist weniger geworden.“

„Die Mitarbeiter vorne kriegen das alles ab“

Innerhalb von sechs Jahren hat die Praxis drei MFA verloren, weil sie mit dem Druck nicht umgehen konnten. „Die Mitarbeiter vorne auf den Schleudersitzen kriegen das alles ab“, sagte Greiwe. Die Ärztinnen und Ärzte bekämen gar nicht alles mit, weil die MFA schon viel abfangen.

KVWL-Chef Spelmeyer verwies darauf, dass die Gewalt auch im Notdienst nicht selten ist. Anfang des Jahres hatte die KVWL in einer Umfrage herausgefunden, dass 34 Prozent der Ärztinnen und Ärzte sich bei Hausbesuchen schon einmal in einer brenzligen Situation befunden hatten. „Mit einer so hohen Zahl hatten wir nicht gerechnet“, sagte er.

Spelmeyer nannte ein extremes Beispiel. „In einer Notfallpraxis wurde der diensthabende Arzt angegriffen und niedergeschlagen. Er musste sich notärztlich behandeln lassen.“ Die Praxis sei sofort umgebaut wurden, die KV hat einen Sicherheitsdienst beschäftigt. „Als Arbeitgeber müssen wir für die Sicherheit sorgen.“ Auch in anderen Notdienstpraxen arbeitet jetzt Sicherheitspersonal, Frauen werden teilweise von den Sicherheitskräften zu ihren Autos begleitet. (iss)

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