Helau und Alaaf

Einmal im Jahr Arzt sein

Das richtige Kostüm darf an Karneval nicht fehlen. Weit oben auf der Hitliste steht auch in diesem Jahr der Arztkittel. Welche Rückschlüsse lässt diese Kostümierung auf die Narren zu? Und was ist eigentlich die perfekte Verkleidung für echte Ärzte?

Von Jana Kötter Veröffentlicht:
An Fastnacht darf jeder auch mal Arzt sein. Oder zumindest so aussehen.

An Fastnacht darf jeder auch mal Arzt sein. Oder zumindest so aussehen.

© Antonio Gravante / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Kleider machen Leute - das gilt wohl nirgends so wie auf einer Karnevalsfeier. Alter, Beruf, all die Dinge, die uns beim Kennenlernen neuer Menschen für gewöhnlich interessieren, rücken da in den Hintergrund.

Die Narrenzeit erlaubt, unser Alltagswesen hinter uns zu lassen und einmal im Jahr in eine Rolle zu schlüpfen.

"Die Kostümierung gibt uns die Möglichkeit, die Perspektive zu wechseln. Durch die Maskerade begegnen wir uns selbst und der Welt in einer anderen Rolle - auf Zeit", sagt Psychologe Professor Alfred Gebert aus Münster.

"Karneval ist der kontrollierte Ausbruch aus der Vernunft. Wir machen einen kleinen Urlaub vor uns selbst."

Einmal im Jahr ausbrechen

Und in dieser Wirkung sei das Karnevalfeiern nicht zu unterschätzen, meint Gebert. "Viele Menschen haben heutzutage einen stressigen Beruf, der von Routinetätigkeiten geprägt ist.

Da braucht es mindestens einmal im Jahr einen solchen Ausbruch, um dauerhaft gesund zu bleiben", so der Psychologe im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Von dem temporären Ausbruch könne man auch neue Kraft für den Alltag schöpfen: "Indem wir uns verkleiden, übernehmen wir auch die Fähigkeiten der Rolle, in die wir schlüpfen, beispielsweise die Tollkühnheit eines Piraten."

Das könne auch nach Aschermittwoch helfen, solche Fähigkeiten zu entwickeln und beispielsweise dem Chef entschiedener gegenüberzutreten.

Die Rollen, in die Karnevalisten in diesen Tagen am liebsten schlüpfen, sind dabei vielfältiger denn je: Von der neumodischen Handy-Verkleidung über Klassiker bis hin zu Polit-Satire-Masken ist auf den Straßenzügen in den Karnevalshochburgen alles anzutreffen.

Einige Kostüme scheinen dabei nie aus der Mode zu kommen: "Jeder schreit nach Piraten und Co.", sagt Jürgen Wirtz, Abteilungsleiter der Spiel- und Karnevalsabteilung der Galeria Kaufhof in Köln.

"Cowboy und Indianer geht immer", bestätigt auch Dieter Tschorn, Sprecher der Fachgruppe Karneval im Verband der deutschen Spielwarenindustrie.

Die Klassiker landen vor allem in den Einkaufstüten der Konservativen, analysiert Psychologe und Motivationsexperte Ralf Schmiel aus Essen.

"Die Träger wollen kein Risiko eingehen und haben ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis", sagt der Psychologe.

Uniformen sind gefragt

Auch Krankenschwester, Arzt und Chirurg zählen zu den Klassiker-Kostümen, die sich gleichbleibender Beliebtheit freuen.

"Berufsuniformen sind traditionell sehr gefragt", sagt Thomas Klaffki, Filialverantwortlicher der Frankfurter Filiale des Kostümanbieters "Der Karnevalswierts".

"Die medizinischen Berufe, also Ärzte, aber auch Krankenschwestern und Chirurgen, sind aber besonders beliebt." Dementsprechend wurden in den vergangenen Wochen Arztkittel, Stethoskop und Krankenschwester-Häubchen, sagt Klaffki.

Doch welche Menschen sind es, die in die Rolle der medizinischen Helfer schlüpfen? Etwa auch die "Konservativen", wie Schmiel sie identifiziert hat? Klaffki beobachtet bei den Käufern seiner Arztkostüme keine bestimmte Zielgruppe.

"Alt und jung, die Käufer sind wirklich bunt gemischt", sagt der Filialleiter. Nur bei den besonders kurzen Krankenschwester-Kostümen würden eher junge Frauen zugreifen, fügt er schmunzelnd hinzu.

Gebert skizziert da ein anderes Bild mit wesentlich schärferen Konturen: "Gerade bei den Krankenschwestern zeigt sich der bedeutende Unterschied zwischen Verkleidung und Realität", erklärt der Psychologe.

Viele Frauen, die in die oft "super sexy" geschnittenen Kostüme schlüpften, wollten emanzipiert und aktiv auftreten und so möglichst viele Menschen kennenlernen, erklärt Gebert.

Beim Blick auf jene, die in den Arztkittel schlüpfen, erkennt er ein anderes Muster: "Beobachtungen lassen erkennen, dass die verkleideten Ärzte eigentlich gar keine richtigen Karnevals-Typen sind.

Sie sind oft viel zu ernst, um die Narrenzeit wirklich zu genießen." Nicht selten handele es sich jedoch um Menschen, die im wahren Leben eigentlich gerne Arzt geworden wären und so einmal im Jahr diesen Traum leben.

Party statt Pflichten

Ärzten selber rät Psychologe Gebert, die Verantwortung des Praxis- oder Klinikalltags an Karneval einmal abzulegen.

"Ärzte und Chirurgen stehen im Alltag oft unter sehr hohem Stress, sie müssen in jeder Minute exakt arbeiten und dürfen sich dabei keine Fehler erlauben", erklärt er. "An Karneval können sie dann einmal so richtig ausflippen."

Dabei hat der Psychologe sogar einen Kostüm-Tipp für die Mediziner parat: "Pirat oder Indianer wäre eine gute Verkleidung für einen Arzt", meint er.

"In jedem Fall muss es eine Rolle sein, die Fähigkeiten verleiht, die im Alltag des Arztes sonst weniger vorkommen - so kann die Narrenzeit psychologisch ein wirklicher Gewinn sein."

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