Erneut platzt der Traum vom fairen Honorar

Allen Wohl und niemand weh - nach diesem Prinzip reformierte die KBV unter Federführung ihres Vorsitzenden Dr. Winfried Schorre den EBM 1996. Schon nach einem Quartal zeigt sich das Desaster: Mengenexplosion und existenzbedrohender Punktwertverfall.

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Köln, im Jahr 1996. Zum Jahresbeginn ist ein neuer EBM in Kraft getreten, an dem fast drei Jahre lang gearbeitet worden ist.

Die KBV geht davon aus, dass der Honorarzuwachs rund zwei Milliarden DM (sechs Prozent) beträgt, wovon allerdings die Hälfte durch die Aufbesserung der hausärztlichen Grundversorgung, durch Innovationen und die Förderung des ambulanten Operierens absorbiert wird.

Kern der Reform ist eine Ordinationsgebühr, in der kleine Grund- und Sonderleistungen aufgegangen sind, und neue hochwertige Beratungs- und Betreuungsleistungen, die zunächst auf Hausärzte beschränkt werden sollen, auf Druck der Fachärzte schließlich auch von den Spezialisten abgerechnet werden können.

Die KBV ist sich bewusst, dass der EBM bei gedeckeltem Gesamthonorar zur Dauerbaustelle wird. Deshalb wird ein Ärzte-Panel gebildet, um schnellstmöglich Abrechnungsfrequenzen zu ermitteln, die bei einer problematischen Punktzahlentwicklung - mit der Folge eines Punktwertverfalls - schon zum 1. Juli 1996 Korrekturen ermöglicht.

Neun Wochen nach Abschluss des ersten Quartals, bei der Vertreterversammlung der KBV, stellt der Vorsitzende Dr. Winfried Schorre konsterniert fest: "Wir haben eine Mengenausweitung, die ich nur psychologisch erklären, aber nicht medizinisch begründen kann. Wir haben Massen von Folien, die zeigen, dass die Welt nicht in Ordnung ist." Die Daten legten nämlich den Schluss nahe, dass der Arbeitstag mancher Ärzte 36 Stunden hat.

Fairness? Leistungsgerechtigkeit?

40 Prozent der Ärzte haben zwischen 100 und 140 Prozent der Punktzahlen des Vorjahres angefordert; fast ein Drittel der Ärzte liegt um 40 bis 100 Prozent über dem Vorjahresniveau.

Wegen der Punktzahlexplosion verfällt der Punktwert derart drastisch, dass Ärzte, die sparsam abgerechnet haben, mit zweistelligem Honorarminus rechnen müssen. Arztgruppen wie Radiologen, die Leistungen kaum eigenständig ausdehnen können, geraten in die Gefährdungszone. Auch fürs zweite Quartal sieht es nicht besser aus. Trendberechnungen gehen von einer Punktzahlexplosion von 40 Prozent aus.

Die KBV zieht die Reißleine: "Mit allen legalen Mitteln", so KBV-Chef Schorre, soll die Mengenentwicklung beruhigt werden, rückwirkend werden zum 1. Januar Teilbudgets eingeführt, Mengenausweitungen gekappt.

Schon zum 1. Juli gibt es 200 Detailänderungen am EBM. Für das Jahr 1997 - und darüber wird in den Folgemonaten heftigst gestritten - soll es Praxisbudgets geben; der historische Umsatz eines Arztes wird damit zur Basis seiner weiteren Honorarentwicklung.

Schorre war bei dieser Reform Opfer seiner eigenen Politik geworden: Nach seinem Demokratieverständnis sollte die Vertreterversammlung in jeden Schritt der Reformentscheidungen einbezogen werden.

Da sich in der VV aber nur die Partikularinteressen der Fachgruppen summierten, bediente Schorre alle - und verhob sich dabei. (HL)

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