Hochwasser

Evakuierungen, Sorgen, Hilfsbereitschaft

Mehr als 40 Tote, zerstörte Ortschaften, evakuierte Krankenhäuser. In NRW und Rheinland-Pfalz kämpfen viele Menschen mit den Folgen der Hochwasserkatastrophe.

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Ein Schlauch der Feuerwehr führt aus einem tief gelegenen Fenster der Radiologie des Klinikums Leverkusen. Wegen einer Störung der Stromversorgung ist das Krankenhaus komplett evakuiert worden. Bereits in der Nacht sei der Notstrom ausgefallen, einige Stationen seien ohne Licht gewesen. Auslöser des Stromausfalls war das Hochwasser des Flüsschens Dhünn.

Ein Schlauch der Feuerwehr führt aus einem tief gelegenen Fenster der Radiologie des Klinikums Leverkusen. Wegen einer Störung der Stromversorgung ist das Krankenhaus komplett evakuiert worden. Bereits in der Nacht sei der Notstrom ausgefallen, einige Stationen seien ohne Licht gewesen. Auslöser des Stromausfalls war das Hochwasser des Flüsschens Dhünn.

© Mirko Wolf / TNN / dpa

Bonn. Von der für viele Menschen verheerenden Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz waren neben Arztpraxen auch Krankenhäuser betroffen. So musste wegen einer Störung der Stromversorgung durch Hochwasser in Leverkusen ein Krankenhaus evakuiert werden. Die Aktion könne noch bis Freitag dauern, denn Rettungsdienste seien nur eingeschränkt verfügbar, sagte eine Sprecherin des Klinikums Leverkusen am Donnerstag. Von der Räumung betroffen seien 468 Patienten. Je nach Gesundheitszustand seien sie auch entlassen worden. Operationen, Termine und Eingriffe wurden abgesagt.

In dem Krankenhaus war in der Nacht der Notstrom ausgefallen. „Die medizinischen Geräte der Intensivstationen mussten teilweise mit Akkus betrieben werden“, teilte das Klinikum mit. Bereits in der Nacht seien 12 Kinder und 15 erwachsene Patienten in umliegende Krankenhäuser verlegt worden. Insgesamt sei die eigentlich mehrfach abgesicherte Stromversorgung instabil.

Mit Hubschraubern evakuiert

Auslöser war das Hochwasser des Flüsschens Dhünn. Dadurch wurde ein Kurzschluss an zwei Trafos ausgelöst, der Strom fiel aus. Wie lange die Reparatur dauere, sei unklar.

Ebenfalls evakuiert werden musste das Krankenhaus in Eschweiler bei Aachen. Intensivpatienten würden per Rettungshubschrauber vom Dach abgeholt und in andere Kliniken gebracht, sagte eine Sprecherin der Städteregion am Donnerstag. Nach Angaben der ADAC-Luftrettung war der Hubschrauber „Christoph Europa 1“ aus Würselen im Einsatz. Die anderen der rund 300 Patienten sollten im Laufe des Tages in umliegende Krankenhäuser verlegt werden oder seien vorzeitig nach Hause entlassen worden, sagte die Sprecherin. Im Krankenhaus sei – wie im Großteil der Innenstadt von Eschweiler – die Trinkwasser- und Stromversorgung ausgefallen. Nach Angaben der Sprecherin ist infolge des Starkregens eine Trinkwasserleitung gebrochen, die die Innenstadt versorgt. Die Einwohner wurden aufgerufen, auf unnötigen Wasserverbrauch durch Duschen oder Toilettenspülungen zu verzichten.

Teichert warnt vor Folgen

Die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst(BVÖGD), Dr. Ute Teichert, warnt vor gesundheitlichen Auswirkungen nach den Überflutungen in der Eifel. „Nach Überschwemmungen kann es durchaus zu Hepatitis-Infektionen oder Magen-Darm-Infekten kommen“, sagte Teichert am Donnerstag der „Ärzte Zeitung“. Auch wenn die Gefahr hierzulande eher gering ist, könnten Wasserrückstände etwa in den Häusern durch übergetretene Kanalisation mit Fäkalien verunreinigt sein, worüber Bewohner bei Aufräumarbeiten in Kontakt kommen können. Teichert, die bis 2012 Leiterin des Gesundheitsamts im vom Hochwasser stark betroffenen Landkreis Ahrweiler war, zeigte sich erschüttert über die Bilder. „Das ist einfach furchtbar“, sagte sie. Im Landkreis war in der Nacht zum Donnerstag der Katastrophenfall ausgerufen worden. Auch die Bundeswehr ist zur Unterstützung vor Ort. Das Impfzentrum des Landkreises in Grafschaft-Gelsdorf ist wegen des Hochwassers geschlossen. Wohl für eine Woche sollen dort keine Impfungen durchgeführt werden können.
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„Als Kind bin ich mit Hochwasser großgeworden. Ich erinnere mich noch, wie das Wasser immer im Haus stand und wir als Kinder das eigentlich ganz toll fanden“, sagte Teichert. „Wasser hat erst einmal nichts Bedrohliches, man rechnet nicht damit, dass es so verheerende Auswirkungen haben kann. Wenn dann so eine Flut kommt und einem schlagartig klar wird, welche vernichtende Macht diese Massen haben, ist das blankes Entsetzen.“ Für die Betroffenen sei das Hochwasser, anders als die Pandemie, „eine greifbare Katastrophe“. Teichert: „Die Pandemie erleben wir nicht als direkte Katastrophe. Wenn wir das täten, dann würden wir anders damit umgehen.“

Die Fachärztin für Öffentliches Gesundheitswesen hat zudem Sorge, dass es in den kommenden Tagen zu weiteren Überschwemmungen kommen könnte: „Der Rheinpegel steigt.“ In Koblenz, wo die Mosel in den Rhein mündet, stand der Pegel am Donnerstagmittag bei 5,24 Metern. Im Mittel misst er dort 2,4 Meter. Damit kann die Mosel, die durch die betroffenen Regionen fließt, nicht genügend Wasser abführen.

THW und Bundeswehr im Einsatz

Das Technische Hilfswerk (THW) hat den Katastrophenschutz in den von Überschwemmungen betroffenen Bundesländern am Donnerstag mit rund 2100 Einsatzkräften unterstützt. In Rheinland-Pfalz seien zudem Hubschrauber aus mehreren Bundesländern zur Rettung von Menschen aus Überflutungsgebieten unterwegs, teilte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Anfrage mit. Weitere Hubschrauber der Bundespolizei stünden in Bereitschaft. „Ich biete den Ländern jegliche Unterstützung an. Jetzt ist die Stunde der Einsatzkräfte und der Solidarität“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) der „Bild“. Nach Angaben seines Ministeriums waren am Donnerstag insgesamt mehr als 15 000 Kräfte von Feuerwehr, Polizei, Hilfsorganisationen, THW und Bundeswehr im Einsatz, um Menschen zu retten sowie Wohnungen, Betriebe und Infrastruktur vor den Wassermassen zu schützen.

Die Verantwortung für den Katastrophenschutz liegt in Deutschland bei den Ländern. Sie können bei besonders schweren Unglücksfällen oder Naturkatastrophen aber Unterstützung von anderen Ländern und vom Bund anfordern, etwa vom Technischen Hilfswerk, der Bundeswehr oder der Bundespolizei. Die Innenministerkonferenz hatte sich vor dem Hintergrund der Erfahrungen in der Corona-Pandemie im Juni auf die Einrichtung eines Bund-Länder-Kompetenzzentrums beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) geeinigt.

Laut Ministerium gab es seit Beginn der Überschwemmungen über 60 behördliche Warnmeldungen und Hinweise an die Bevölkerung. Das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum beim BBK in Bonn koordinierte angeforderte Unterstützungsleistungen - etwa Hubschrauber und die Lieferung von Trinkwasser. (nös/dpa)
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