HINTERGRUND

Fußball-Präsente an die Patienten und Fahnen an der Wand - WM-Fieber erfaßt auch Praxen und Kliniken

Von Marion Lisson Veröffentlicht:

Sie verschenken Fußballpfeifen an ihre kleinen Patienten, haben die Wartezimmer mit Fahnen geschmückt und entlassen Patienten rechtzeitig, damit diese ein Spiel von Beginn an gucken können. Das WM-Fieber macht sich zwangsläufig in Arztpraxen und Kliniken bemerkbar, so das Ergebnis einer kleinen Umfrage der "Ärzte Zeitung".

"Wir haben in unserer Praxis bereits vor der WM gewettet, wer Weltmeister wird: Ich war der einzige im Team, der an die Deutschen geglaubt hat", berichtet Dr. Stephan Bosch aus Ludwigsburg. Inzwischen aber kippe die Stimmung im Team "zum Guten".

Seit ein paar Wochen verteilt der fußballbegeisterte Hautarzt an seine Patienten kleine WM-Tütchen. Darin enthalten ist unter anderem eine Postkarte, auf der die beiden Praxischefs - also Bosch und seine Frau Brunhilde - in Fußballklamotten in einem Stadion zu sehen sind. "Klar sorgt das für Diskussionsstoff", so Bosch lachend.

In dem Tütchen seien auch Tips, wie man Sonnenbrände beim WM-Fest unter freiem Himmel vermeidet, sowie Schiedsrichterkarten zu finden. Die Rote Karte stehe dabei für "Achtung Sonnenbrand", die Gelbe für "Hautkrebsgefahr".

WM-Gefühle kommen auch in der Heidelberger Praxis von Dr. Jürgen Löbelenz auf. Der Urologe hat seine Praxis mit Fahnen und Fußball-Postern auf das derzeit aktuelle Thema Nr. 1 eingestimmt. "Wir sind alle für Fußball", so Arzthelferin Iris Honeck. Sie mußte bisher kein Spiel der deutschen Jungs verpassen, da die Praxis ihres Chefs nur bis 13 Uhr geöffnet hat. Löbelenz operiert nämlich noch als Belegarzt im Kreiskrankenhaus Salem.

Tatsächlich kämen die Patienten verstärkt morgens, nachmittags etwas weniger, glaubt auch Hausarzt Ekkehard Ruebsam-Simon aus Bammental. Besonders wenn die Deutschen spielten, drängten Patienten sogar auf eine rechtzeitige Entlassung, um ein Spiel vom Anpfiff an miterleben zu können, bestätigt Anästhesist Dr. Hans Treiber aus Ulm.

Der Chef der Tagesklinik Söflingen bringt den Fans Sympathie entgegen und versucht nach Möglichkeit, ihrem Wunsch zu entsprechen. Treiber: "Ansonsten heißt es bei uns business as usual. Keine Wetten, keine Fähnchen, sondern nüchterne Op-Atmosphäre."

Bei vielen niedergelassenen Ärzten bundesweit läuft der Praxisbetrieb denn auch im Großen und Ganzen eher unspektakulär weiter. Etwas weniger Patienten und gelegentlich ein Plausch über ein Spiel, das melden jedoch viele.

Bei Dr. Gesa Wunder aus Neu-Ulm halten sich Patienten mit dem Thema meist zurück. "Sie schätzen mich als Frau wohl eher als weniger fußballbegeistert ein. Schließlich ist meine Praxis nicht geschlossen, und Dekoration gibt es auch nicht", so die Allgemeinärztin. Bei den Kindern sei dies aber etwas anders.

"Die kommen nämlich ganz stolz in die Praxis und präsentieren mir ihre vielen Tatoo-Flaggen auf Armen und Gesicht", freut sich die Hausärztin. Kein Wunder, daß in ihrer Praxis die Knüller unter den Kinderbelohnungen zur Zeit besonders die Fußballgeschenke sind. Fußballpfeifen, Fußballgeduldspiele und Stifte sind bereits vergriffen.

"Es ist verblüffend, wie fit die Zehn- bis Zwölfjährigen beim Thema Fußball schon sind und sich auskennen", bemerkt Uwe Glück. Der Allgemeinarzt aus Speyer wunderte sich zudem nicht schlecht, als beim letzen Deutschlandspiel die Terminspalte seines Kollegen prompt ab 16 Uhr leer war. "Tja, da war wohl jemand Fußball gucken", lacht er.

Daß nicht nur das Können der Fußballer, sondern auch deren Aussehen, für echte Fans eine bedeutende Rolle spielen, weiß Hausarzt Dr. Matthias Frank ganz sicher seit Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft. "Unser Praxisteam spricht viel über unsere Jungs und den Verlauf der WM. Thema meiner Mitarbeiterinnen ist dabei ebenfalls, wie süß ein Spieler ausschaut", so der Karlsruher. Für die nächste WM in vier Jahren hat sich Frank fest vorgenommen, die Praxis WM-mäßig dekorieren zu lassen.

Natürlich ist nicht jeder gleichermaßen von der WM begeistert. Doch selbst eingefleischte FIFA-Kritiker wie Dr. Joachim Rusteberg aus Freiburg können sich der Wirkung des Fußballereignisses nicht ganz entziehen. Dabei ist Rusteberg überzeugt davon, daß die kollektive Begeisterung von der FIFA "von der Spitze bis zur Basis künstlich erzeugt ist".

Es ergreife ihn ein Unbehagen, wenn er merke, daß auch er sich dem Massenphänomen nicht immer entziehen könne, berichtet er der "Ärzte Zeitung". "Das ist so wie kurz vor McDonald, wenn mir das Wasser schon im Mund zusammenläuft, bevor ich etwas bestellt habe." Was ihn dennoch in diesen Tagen wirklich erfreut, sind die vielen mit ausländischen Farben geschmückten Menschen und Häuser, die in der Stadt zu sehen seien.

Auf jeden Fall scheint Fußball eine zumindest zeitlich begrenzte Heilung auszulösen - besonders wenn die Deutschen um den Ball kämpfen. "Während der 90 Spiel-Minuten wird bei mir keiner mehr etwas von seiner Krankheit spüren. Erst wenn der Schlußpfiff ertönt, melden sich die ersten wieder mit Herz-Rhythmus-Störungen", faßte eine Stationsärztin der Inneren Medizin im Kreiskrankenhaus Salem ihre Beobachtung der letzten Tage zusammen.

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