Sportmedizin

Hörsaal voll – Wildor Hollmann (92) liest

Professor Wildor Hollmann ist 92, trainiert im Fitnessstudio und hält immer noch Vorlesungen an der Uni.

Von Olivia Konieczny Veröffentlicht:
Professor Wildor Hollmann macht es nach wie vor riesige Freude, mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten.

Professor Wildor Hollmann macht es nach wie vor riesige Freude, mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten.

© picture alliance / Oliver Berg

KÖLN. Wenn Professor Wildor Hollmann seine Vorlesung hält, sitzen die Studierenden auf dem Boden, drängen sich auf den Fensterbänken. Kein Platz bleibt frei. Die Studenten müssen keinen Schein machen, auch keine Prüfung. Sie kommen aus Interesse, wollen dem bekannten Sportmediziner zuhören. Der Professor ist 92 Jahre alt und längst emeritiert. Ans Aufhören denkt er aber nicht.

Mit dem Beginn des Sommersemesters wird Hollmann an der Deutschen Sporthochschule in Köln wieder seine Sondervorlesung halten, in der er "allgemeines akademisches Grundlagenwissen" vermittelt. Das fängt laut Hollmann mit nichts Geringerem an als der Entstehung des Weltalls. Weiter geht es mit der Entstehung der Sonne, der Erde, des Lebens, des Menschen. "Ich will aus sogenannten Fachidioten Menschen machen, die sich im allgemeinen Leben auskennen", sagt Hollmann. Für seine Studenten hat er viel übrig – das sei der Grund, warum er noch doziere. "Weil es mir riesige Freude macht, mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten." Doch Allgemeinbildung, Geschichtswissen, das bräuchte man von Bachelor- und Masterstudierenden heute nicht erwarten. Deshalb streue er immer mal wieder ein paar historische Fakten ein.

Dass Professoren nach der Emeritierung ihren Instituten verbunden bleiben und ihre Expertise anbieten, sei durchaus üblich, erläutert das NRW-Bildungsministerium. Statistiken dazu würden nicht geführt, heißt es beim Deutschen Hochschulverband (DHV). "Ungeachtet dessen bleibt Herr Professor Hollmann eine Ausnahmeerscheinung", sagt DHV-Sprecher Matthias Jaroch.

Hollmann trägt das grau melierte Haar zur Seite gekämmt. Dazu Anzug, Krawatte. Er ist ein Gentleman alter Schule, der einer Frau die Tür aufhält. Auf dem Schreibtisch in seinem Büro liegt eine schwarze Aktentasche. Das abgegriffene Leder zeugt von vielen gemeinsamen Jahren. Hollmann, geboren 1925 in Menden im Sauerland, hat ein bewegtes Leben hinter sich und eine steile Karriere.

Forscher von Weltrang

Er ist Arzt, Forscher, Macher. Als junger Mann studiert er in Köln Medizin, promoviert. 1958 gründet er in Eigenregie das Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin, indem er einen Raum in der Sporthochschule mietet. Heute ist das Institut international angesehen. Hollmann übernimmt 1965 den Lehrstuhl für Kardiologie und Sportmedizin, wird 1970 Rektor der Sporthochschule.

Durch seine Studien über den Einfluss von Sport auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit kommt Hollman zu Weltrang. Es folgen Jahre mit vielen Ämtern: Ehrenpräsident des Weltverbandes für Sportmedizin, Präsident der Deutschen Olympischen Gesellschaft. Hollmann betreut die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, ist im Beirat der Bundesärztekammer und Berater des Bundesverteidigungsministers. Er wird mit 34 Forschungspreisen und dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, mit Stern und Schulterband.

Der Professor reist teils drei Monate am Stück, verbringt immer wieder Zeit in Japan. Er forscht, hält Vorträge, veröffentlicht. Seine Frau hält ihm in all den Jahren den Rücken frei, kümmert sich zuhause in Brüggen am Niederrhein um die zwei Kinder. Zeit für die Studierenden erübrigt Hollmann trotz allem: Mehr als 1000 von ihnen haben ihre Diplom- oder Promotionsarbeiten bei ihm geschrieben. Aktuell betreut Hollmann noch acht Doktoranden. Sein Erfolgsgeheimnis? "Mir wurde schon früh gesagt, dass ich ein anomales Gedächtnis habe." Was er einmal höre, könne er sich merken.

Hilfe kam aus Bonn

Geholfen habe aber auch die Politik: Als Bonn noch Hauptstadt war und so mancher Minister besorgt, herzinfarktgefährdet zu sein, wurde Hollmanns Präventivmedizin zum Hit. "Da kam ein Minister nach dem anderen zur Vorsorge rüber", sagt Hollmann. Als sein Name vor einigen Jahren in Zusammenhang mit Dopingvorwürfen gebracht wird, wehrt er sich entschieden. Er habe sich nichts vorzuwerfen, sagt Hollmann: "Ich habe niemals jemanden gedopt."

Was rät er jungen Leuten? Jede Möglichkeit für körperliche und geistige Aktivität zu nutzen. "Und Selbstdisziplin." Man könne sich zwingen, selbst die Dinge mit Freude zu tun, auf die man keine Lust habe. Zweimal pro Woche trainiert der 92-Jährige im Fitnessstudio, steigt täglich 200 Treppenstufen.

Seit September nimmt er auch noch Tanzstunden, lernt unter anderem Rumba. Aktuell nerven ihn Probleme mit seinem Internet-Provider: "Ich bin ohne Internet, das ist ganz schlimm." (dpa)

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Berufsbedingte Schäden

Wenn Musikmachen Muskeln, Sehnen und Gelenke krank macht

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!