Karrierestufen spielen nicht die erste Geige
Die "Camerata Medica Göttingen" ist ein Novum an der Universität: Das erste Mediziner-Orchester in der Geschichte der Fakultät macht Musik als Ausgleich zum Stress.
Veröffentlicht:GÖTTINGEN. Mittwochabend in der Aula des Universitätsgebäudes im Göttinger Waldweg: Zahlreiche Stühle stehen in mehreren Reihen halbkreisförmig angeordnet im Raum. Auf einem liegt der "Taschenatlas der Physiologie", gleich daneben eine Violine, in einer anderen Ecke steht ein Cello. Nach und nach trudeln weitere Musiker mit ihren Instrumenten ein. Schließlich sind die meisten Stühle besetzt. "Heute proben wir einige neue Stücke", sagt Dirigent Peter Leipold. Er hebt den Taktstock, und die Musiker beginnen mit den ersten Takten eines Ungarischen Tanzes von Brahms.
An anderen medizinischen Fakultäten haben solche Orchester eine lange Tradition. In Göttingen hat sich das Orchester dagegen erst im vergangenen Jahr zusammengefunden. Initiator und Motor der "Camerata Medica Göttingen" ist der Medizinstudent und Fachgruppensprecher der Fachschaft Medizin der Universität Göttingen, Christopher Spering.
Für sein Projekt fand er sofort Unterstützung bei dem Dekan der Universitätsmedizin, Professor Cornelius Frömmel, der selbst ein begeisterter Musiker ist. "Ich fand es einfach schade, dass die medizinische Fakultät bislang kein eigenes Orchester hatte", meint Spering. "Gerade im Arztberuf braucht man einen guten Ausgleich."
Das sehen andere Mediziner auch so: Als Spering eine Anfrage per Email an die Leiter der Abteilungen und die Studenten versandte, bekam er sofort eine Flut an Rückmeldungen. "Ich war wirklich überwältigt", sagt Spering. Der erste, der sich sofort begeistert meldete und die "zweite Geige in der dritten Reihe" spielen wollte, war der Leiter der Abteilung Hämatologie und Onkologie, Professor Lorenz Trümper. Trotz seines vollen Terminkalenders gehört er zu denen, die so gut wie nie eine Probe versäumen.
Bei der Camerata Medica spielen Karrierestufen und Titel keine Rolle. Egal, ob Studenten, Assistenzärzte, Oberärzte oder gestandene Professoren - im Orchester geht es um das Aufeinanderhören und das Zusammenspiel der Instrumente. "Achtet mal auf die Balance, wie es zusammen klingt", sagt Dirigent Peter Leipold. Er kommt von der Musikhochschule Hannover und ist von dem bunt gemischten Mediziner-Orchester begeistert: "Es ist faszinierend, wie schnell sich wildfremde Menschen hier zusammengefunden haben und wie durch Musizieren eine Gemeinschaft entsteht." Für die Medizinstudentin Julia Hoberg ist es vor allem ein toller Ausgleich zum Studium: "Man macht etwas mit anderen, das bringt mir sehr viel."
Bereits innerhalb kürzester Zeit hat es die "Camerata Medica Göttingen" zu einer beachtlichen Qualität gebracht. Schon im Juli vergangenen Jahres gab es den ersten öffentlichen Auftritt vor 600 Zuhörern anlässlich der Absolventenfeier der Medizinischen Fakultät. Das offizielle Gründungskonzert fand dann kurz vor Weihnachten statt.
Von dem Erfolg waren die Musiker selbst überrascht: "Die Haydn-Sinfonie hatte in keiner Probe richtig gut geklappt, aber im Konzert haben wir alle schwierigen Stellen gemeistert", freut sich Spering, der selbst Cello spielt. Auch der Dirigent war voll des Lobes: "Das Konzert war großartig, darauf können wir wirklich stolz sein." Die Auftritte werden allerdings begrenzt bleiben, denn das Orchester spielt in erster Linie zu feierlichen Anlässen der Universitätsmedizin.
Dem Orchester fehlen Bratschisten und Kontrabassisten. Interessenten können sich unter 0551/ 9963102 melden. Infos unter www.camerata-medica.de.