"Mehr menschliches Leid gesehen, als man erfassen kann"

KÖLN. Die Flut-Katastrophe in Südasien hat auch die Assistance-Gesellschaften vor große Herausforderungen gestellt. Im Auftrag von Versicherern und Touristikunternehmen leisten sie organisatorische und logistische Hilfe vor Ort und kümmern sich um die medizinische Versorgung von Flutopfern.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

Von München aus hat die deutsche Mondial Assistance am 29. Dezember ein 13köpfiges medizinisches Team nach Phuket in Thailand entsandt. Auftraggeber war das Touristikunternehmen Thomas Cook. Die zur Allianz-Gruppe gehörende Mondial ist weltweit der größte Anbieter von Assistance-Leistungen.

Aufgabe der Ärzte und Rettungsassistenten war es, verletzte Touristen für den Rücktransport nach Deutschland vorzubereiten, darunter Versicherte der Allianz-Töchter Allianz Private Krankenversicherung und Elvia Reiseversicherungen.

Zu den Teams gehörten sechs in der Notfallmedizin erfahrene Ärzte - Unfall- und Kinderchirurgen sowie ein Infektiologe vom Städtischen Krankenhaus München-Schwabing. Sie stehen nebenberuflich auf Abruf für Rückholaktionen der Mondial zur Verfügung. "Es ist unsere Politik, mit Ärzten zusammen zu arbeiten, die regelmäßig an Fortbildungen teilnehmen und in ihren Fächern up-to-date sind", erläutert Unternehmenssprecher Christian Teichmann.

Jeweils ein Arzt und ein Rettungsassistent haben zunächst die Kliniken in Phuket besucht und dann die betroffenen Regionen im Süden und Norden des Feriengebietes. Unterstützt wurden sie dabei vom Auswärtigen Amt und vom thailändischen Militär, so Teichmann.

In den Kliniken haben die deutschen Fachleute nach Europäern gesucht, die in ihre Heimatländer zurücktransportiert werden mußten. "In einer solchen Notfallsituation geht es nicht darum, wer Kunde unserer Auftraggeber ist", sagt er.

Einer der Münchener Ärzte, die in Phuket im Einsatz waren, ist Oberarzt Dr. Jörg Scherer. "Für mich war es das sinnvollste Silvester, das ich jemals erlebt habe." Die direkte Hilfe, die er dort habe leisten könne, stehe im Kontrast zu den vielen nicht-medizinischen Aufgaben, die er im normalen Klinikalltag in Deutschland zu erledigen hat. "Das relativiert vieles", sagt er.

In der kurzen Zeit hätten die Einsatz-Teams mehr menschliches Leid gesehen, als man erfassen könne, berichtet der Unfallchirurg, der bereits viele Auslandseinsätze hinter sich hat. Die medizinische Versorgung der Patienten sei oft nicht das größte Problem gewesen. Jeder zweite Patient vermißte einen nahestehenden Menschen. "Damit umzugehen war für uns die größte Herausforderung."

Das Versorgungsniveau in Thailand sei relativ gut gewesen, insbesondere in den Privat- und Universitätskliniken, so Scherer. "Was am meisten gefehlt hat, waren die Schmerzmittel." Die Münchener hatten zwar einen großen Koffer voller Analgetika mitgebracht, doch der war schnell leer. Die Hälfte der mitgebrachten Infusionen traten Scherer und seine Kollegen an die deutsche Luftwaffe ab, die einen dringenden Bedarf für Verletzten-Transporte hatte.

Beeindruckt hat den deutschen Arzt die große Hilfsbereitschaft der thailändischen Bevölkerung. "Schulklassen sind in die Krankenhäuser gekommen, um die Patienten zu waschen", berichtet er. Die Helfer vor Ort wurden von den Einheimischen mit Essen und Trinken versorgt, sie erfuhren überall eine große Unterstützung. "Das war für uns eine einzigartige Erfahrung."

Die Kliniken stellten thailändischen und ausländischen Flutopfern Internetzugänge und freie Telefone zur Verfügung, damit sie Kontakt zu Angehörigen halten konnten. "Das hat alles sehr gut geklappt", sagt Scherer.

Ihre beim Phuket-Einsatz gesammelten Erfahrungen wollen die Münchener Mediziner jetzt aufarbeiten und auswerten, kündigt er an. Es sei geplant, an der Schwabinger Klinik eine feste Gruppe für solche Einsätze zu installieren.

Mondial Deutschland hat insgesamt 26 Patienten aus Thailand nach Hause geholt sowie eine Patientin aus Sri Lanka. Für das Unternehmen steht in München ein zweites medizinisches Team bereit, das bei Bedarf ins Krisengebiet fahren kann.

Mondial-Sprecher Teichmann hält das aber nicht für sehr wahrscheinlich. Alle in Frage kommenden Kliniken seien durchsucht worden. "Es gibt nach derzeitigem Stand keine Patienten mehr, die unsere medizinische Unterstützung benötigen", sagt Teichmann.

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