Flüchtlingsretter

Neue Regeln für NGOs

Im Mittelmeer retten Hilfs- organisationen weiterhin unzählige Flüchtlinge. Die italienische Regierung will für die Rettungseinsätze strengere Regeln. Doch auf einen Verhaltenskodex konnte man sich bislang nicht einigen.

Von Lena Klimkeit Veröffentlicht:

ROM. Italienische Regierungsbeamte und Hilfsorganisationen haben sich vorerst nicht auf einen Verhaltenskodex als Grundlage für Rettungen von Migranten im Mittelmeer geeinigt. Für Freitag sei ein neues Treffen in Rom angesetzt worden, berichtete Titus Molkenbur, der für die deutsche NGO Jugend Rettet am Dienstag bei einem mehr als einstündigen Treffen im Innenministerium teilnahm.

Bis dahin könnten die Organisationen Vorschläge zur Verbesserung und Ergänzung des Regelkatalogs einreichen. Dies ging auch aus einer Mitteilung des Ministeriums hervor.

Helfer fühlen sich kriminalisiert

An dem Gespräch unter Federführung des Flüchtlingsbeauftragten des italienischen Innenministeriums, Mario Morcone, haben neben Jugend Rettet unter anderem Save the Children, Ärzte ohne Grenzen und SOS Mediterranee teilgenommen. Jede Organisation habe ihre Sorgen vorbringen können, sagte Molkenbur. Morcone habe deutlich gemacht, dass es der italienischen Regierung um die innere Sicherheit Italiens gehe.

Mit dem Verhaltenskodex will die italienische Regierung klare Regeln für die Rettungsaktionen im Mittelmeer aufstellen und hatte damit für Verunsicherung bei den Hilfsorganisationen gesorgt. Sie fühlen sich durch den Vorstoß der italienischen Regierung kriminalisiert, weil sie sich bei den Rettungseinsätzen nach eigenen Angaben bereits an Recht und Gesetz auf See halten.

NGO muss Zugang zu Schiff gewähren

Nur im äußersten Notfall sollen die Schiffe der Hilfsorganisationen in libysche Hoheitsgewässer eindringen, so schreibt es auch das internationale Seerecht vor. Der sogenannte Code of Conduct in seiner jetzigen Form untersagt den Helfern ferner, Ortungsgeräte abzustellen und mit Lichtsignalen Schmuggler an der libyschen Küste zu ermuntern, Boote mit Migranten aufs Meer zu schicken. Außerdem sollen die NGOs den Behörden, auch der Kriminalpolizei, Zugang zum Schiff gewähren und ihre Finanzierung offenlegen.

Seit ein sizilianischer Staatsanwalt einigen NGOs vorwarf, von Schleppern finanziert zu sein, sind die Nichtregierungsorganisationen in den Fokus der Debatte um Einsätze im Mittelmeer geraten. Belege für die Anschuldigungen gibt es nicht.

Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex stellte Anfang des Jahres fest, dass die Seenotretter mit ihrem Engagement im Mittelmeer Schleppern in die Hände spielten – unterstellte den Helfern aber keine bösen Absichten. Vielmehr helfen demnach alle an Rettungen Beteiligten den Verbrechern unbeabsichtigt, ihre Ziele mit minimalem Kostenaufwand zu erreichen. Also auch die Küstenwache oder Frontex selbst.

Während der Beratungen in Rom gingen Hilfseinsätze im Mittelmeer weiter. Die spanische NGO Proactiva Open Arms rettete 167 Migranten von einem Schlauchboot. 13 Menschen, darunter Schwangere und Mütter, konnten nur noch tot geborgen werden, wie die Gruppe auf Twitter mitteilte. Ärzte ohne Grenzen und SOS Mediterranee brachten mehr als 400 Gerettete in Sizilien an Land, darunter zahlreiche Kinder.

Die Hilfsorganisationen beklagen stets das Fehlen einer europäischen Rettungsmission. 2016 kamen mehr als 180.000 Menschen über die zentrale Mittelmeerroute zwischen Libyen und Italien nach Europa. Mehr als 5000 ertranken, weil Schlepper sie auf kaum seetüchtigen Booten aufs Meer schicken. In diesem Jahr starben bereits mehr als 2300 Menschen.

Am Dienstag stimmten die EU-Mitgliedsstaaten einstimmig einer Fortsetzung der 2015 gestarteten Operation "Sophia" zu, die vor der libyschen Küste ebenfalls Migranten rettet, dort aber eigentlich gegen Schlepper im Einsatz ist. Italien hatte die Verlängerung zunächst blockiert.

Das Land versucht derzeit mit unterschiedlichen Vorstößen, der Vielzahl an ankommenden Geretteten Herr zu werden und die EU-Partner zu einer größeren Lastenteilung zu bewegen. In diesem Jahr kamen bereits mehr als 93.300 Migranten an den heimischen Häfen an. (dpa)

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