Vor Olympia

Rio droht der medizinische Kollaps

Rund fünf Wochen vor Olympia gärt es in Rio de Janeiro: Streiks lähmen Universitäten und Krankenhäuser, weil Gehälter nicht oder verzögert gezahlt werden. Bricht das Gesundheitssystem in Rio zusammen?

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Rio de Janeiro von Oben: Droht bei den Olympischen Spielen Chaos – auch im brasilianischen Gesundheitssystem?

Rio de Janeiro von Oben: Droht bei den Olympischen Spielen Chaos – auch im brasilianischen Gesundheitssystem?

© Celso Diniz/Fotolia

RIO DE JANEIRO. Sonst werden hier auf der Station der Herzchirurgie zwölf Patienten zeitgleich behandelt. "Im Moment können wir nur sechs Plätze anbieten", sagt Stationschef Joaquin Coutinho. Es fehlt Geld, zudem ist rund ein Drittel des Personals im Streik.

Der Bundesstaat Rio de Janeiro ist fast pleite. Aber Coutinho warnt davor, den Olympischen Spielen einseitig die Schuld zu geben, ein Großteil der Kosten werde von der Regierung übernommen.

Das sehen allerdings nicht alle so. Das Hospital Universitário Pedro Ernesto in Rio kann nach Angaben von Mitarbeitern zeitweise nur noch 200 statt bis zu 600 Patienten behandeln, in den dunklen Gängen kleben Plakate mit Aufschriften wie "Streik", auch an der nahen Universität geht seit März fast nichts mehr, dort heißt es: "Olympia in Rio? Unser Gold ist öffentliche Bildung."

Nicht nur Krankenhäuser von den Streiks betroffen

Das Krankenhaus ist ein Sinnbild der Finanzkrise. Menschen warten lange auf Behandlungen, der Betrieb läuft auf Sparflamme. Aufgebrachte Mitarbeiter der Verwaltung, die auf ausstehende Gehälter warten, machen so lange Krach vor dem Büro von Direktor Edmar Santos, bis er schließlich herauskommt.

Dieser ruft spontan eine Krisenversammlung ein. Gebetsmühlenartig verweist er darauf, dass nicht er, sondern der Bundesstaat für die Zahlung der Gehälter zuständig sei.

Es gebe eine ganz klare Verbindung zu den Spielen, meint Streikführerin Perciliana Rodrigues: "Sie lassen sich so ein Mega-Event viel kosten, aber unsere Patienten müssen leiden." Es gebe eine klare Priorisierung für Olympia-Projekte wie die immer teurer werdende Metrolinie in den Stadtteil Barra, wo sich der Olympiapark mit den meisten Sportstätten befindet.

Die könnte am Ende über 2,5 Milliarden Euro kosten und ein Viertel der Gesamtkosten von Olympia verschlingen. Aber noch fehlt ein ganzer Kilometer, vielleicht wird sie nicht fertig bis August. Dann droht ein Transportchaos.

In manch staatlichen Krankenhäusern fehlt es sogar an Grundausstattung

Eine andere Frau klagt bei der Versammlung mit dem Direktor des staatlichen Hospitals: "Es fehlt hier alles: Medikamente, Handschuhe, Desinfektionsmittel, Hygienepapier." Von zu Hause würden Angestellte nun sogar Druckerpapier mitbringen.

Irgendwie scheinen die Spiele für Rio zur Unzeit zu kommen: Brasilien steckt in einer der tiefsten Rezessionen seiner Geschichte. Das bedeutet weniger Steuereinnahmen, hinzu kommt ein drastischer Rückgang der gerade für den Bundesstaat Rio de Janeiro so wichtigen Einnahmen aus dem Erdölgeschäft.

Die Zentralregierung musste durch die Ausrufung des Finanz-Notstands zwar eine Geldspritze von 780 Millionen Euro beisteuern. Doch ob das reicht, um alle Gehälter für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu bezahlen?

Für den 6. Juli gibt es Aufrufe zum Generalstreik in Rio de Janeiro. Am Flughafen empfingen diese Woche demonstrierende Polizisten und Feuerwehrleute Gäste mit einem Plakat: "Willkommen in der Hölle - Polizei und Feuerwehr werden nicht bezahlt. Wer immer nach Rio de Janeiro kommt, wird nicht sicher sein." (dpa)

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