Italien

Sag mir, wo die Mamma ist?

Neue Studien zeigen, dass italienische Frauen im Durchschnitt nur noch 1,4 Kinder haben - eine der niedrigsten Geburtenraten in Europa. Viele Kinder und die Herrschaft am Herd - das sind seit jeher Merkmale der italienischen Mamma - doch diese Wertewelt stammt von gestern.

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Liebe Mamma, kauf italienische Milch! Eine Werbe-Botschaft für Mütter - aber die richten ihren Blick in eine ganz andere Richtung.

Liebe Mamma, kauf italienische Milch! Eine Werbe-Botschaft für Mütter - aber die richten ihren Blick in eine ganz andere Richtung.

© IPA Photo / imago

ROM (dpa). Pasta della Nonna, Torta della Nonna, Sugo della Nonna - das Etikett "nach Großmutter-Art" wirbt für Spaghetti, Kuchen und Tomatensoße. Die italienische Mamma wäre auch kein gutes Verkaufsargument. Kinder, Kirche, Küche - das alles war einmal.

Im Stress zwischen Job und Familie steht sie nicht mehr wie einst die Großmütter stundenlang am Herd, und die Geburtenrate ist eine der niedrigsten in Europa.

Nach einer Studie des Arbeitsministeriums mit dem nationalen Statistikamt Istat und der staatlichen Versicherungsanstalt Inps vom Herbst haben die Frauen 1,4 Kinder - ähnlich niedrig wie in Deutschland. Rechnet man die ausländischen Frauen heraus und betrachtet nur die Italienerinnen, so sind es nur 1,3 Kinder.

Die Paare heiraten auch später, und dabei kommt im katholischen Italien sogar die kirchliche Hochzeit aus der Mode.

Mehr als ein Drittel der Paare (37,2 Prozent) gab sich der Studie zufolge 2009 nicht beim Pfarrer das Ja-Wort - der Anteil war drei Mal so hoch wie noch 1980.

Die Frauen stehen auch nicht mehr am Herd. Nur noch 15 Minuten wendet ein Großteil der italienischen Frauen täglich zum Kochen auf, ergab im Frühjahr eine Internetbefragung von 500 Frauen der Psychologin Serenella Salomoni in Padua.

"Ihre Großmütter hatten für ihre Kochkünste noch mindestens eine Stunde am Tag aufgewendet", sagt Salomoni. 33 Prozent der Befragten investierten eine Viertelstunde, 22 Prozent unter einer halben.

Nur sieben Prozent verbrachten die "traditionelle" Stunde in der Küche - wie einst Oma. Salomoni: "Was frappierend ist, dass die Frauen von heute sich wöchentlich im Schnitt vier Stunden Kochsendungen ansehen."

Das scheint sich nicht in den Kochkünsten niederzuschlagen. 40 Prozent der Männer beklagten zu fade und diätlastige Gerichte, ein Viertel fehlende Fantasie, und 15 Prozent fanden, der Speisezettel gehe zu sehr nach den Wünschen der Kinder.

Hausarbeit immer noch ein Frauenjob

Kein Wunder, dass die Frauen die Lust auf die Küche verloren. Das sei auch ein gutes Zeichen, findet Salomoni. "Die Frauen sind selbstbewusster, sie können auch mal Nein sagen."

Das Image der gemütlichen dicken Mamma passt nicht mehr. Karriere ist wichtig, und in der Krise bangen viele Italienerinnen um ihre berufliche Zukunft. Sie habe sich selbstständig gemacht aus einem schlechten abhängigen Arbeitsverhältnis heraus, sagte eine junge Architektin namens Paola im Fernsehen Rai 2.

Der Stundenlohn sei niedrig, aber sie könne wenigstens selbst darüber verfügen. An Familiengründung sei jedoch nicht zu denken.

Trotz allen Wandels lastet die Hausarbeit der Studie von Istat und Inps zufolge zu gut 70 Prozent auf den Schultern der Frauen. Die Männer helfen zwar mehr als früher. Trotzdem arbeiten Frauen mit Kindern täglich - Job und Haushalt zusammengenommen - eineinviertel Stunden mehr als ihr Partner.

"Die Frauen haben weiter größere Schwierigkeiten, die Arbeitszeiten und die Sorge um die Familie zusammenzubringen", folgert die Studie.

Was sich in der Küche niederschlägt: Das Essen kommt oft auch vorgekocht aus der Rosticceria an der Ecke auf den Tisch oder als Fertiggerichte aus dem Supermarkt - gerne dann nach Omas Rezept.

"Viele Frauen kaufen tiefgekühlte Sachen, weil sie arbeiten müssen", sagt Antonia Durante aus Rom. «Sie kommen erst abends um sechs, sieben, acht nach Hause. Sie haben eine andere Kultur."

Sie selbst koche gerne - auch Dinge, die es längst fertig gibt. "Ich mache die Pasta noch selber - das macht mir Spaß", sagt die 59-Jährige, selbst Großmutter. Ihre erwachsenen Kinder hätten das gar nicht gelernt.

"Sie sagen immer: Zeig mir, wie man das macht. Aber immer, wenn ich die Pasta mache, sind sie nicht da."

Wie in Deutschland sind die Großmütter in Italien auch leibhaftig sehr gefragt. Sie passen auf die Kinder auf, wenn die Mütter beim Arbeiten seien, und kochen für die ganze Familie - vermutlich traditionell "alla Nonna".

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