Ärzte berichten

So geht es den Vierlingen der 65-jährigen Mama

Dass eine 65-Jährige Vierlinge zur Welt gebracht hat, hat in den Medien für Aufregung gesorgt. Die betreuenden Ärzte allerdings nehmen den Vorgang gelassen - auch wenn sich die Charité für diese Mehrlingsgeburt besonders wappnen musste.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Die 65-Jährige Mama (l.) mit ihrer neunjährigen Tochter (r.) und RTL-Moderatorin Birgit Schrowange.

Die 65-Jährige Mama (l.) mit ihrer neunjährigen Tochter (r.) und RTL-Moderatorin Birgit Schrowange.

© Hans-Joachim Pfeiffer / dpa

BERLIN. Das Ereignis polarisiert. Eine 65-jährige Lehrerin aus Spandau bringt nach einer künstlichen Befruchtung Vierlinge zur Welt.

Nachdem die Wehen vorzeitig einsetzten, wurden die drei Jungen und das Mädchen in der 26. Schwangerschaftswoche per Kaiserschnitt geholt.

Darf eine Frau mit 65 Jahren noch Kinder bekommen und noch dazu Vierlinge? Für den leitenden Neonatologen der Charité, Professor Christoph Bührer, der die Vierlinge betreut, ist das nachrangig.

"Natürlich wurde auch im Team bei uns darüber viel gesprochen. Nur wie die Frau die Kinder bekommen hat, spielt jetzt überhaupt keine Rolle. Das sind vier hochzerbrechliche kleine Babys, und die kriegen unsere Hilfe. Die brauchen unsere Hilfe. Da gab es auch überhaupt keine Debatte", sagte Bührer am Mittwoch bei einer Pressekonferenz der Charité.

Zehn zusätzliche Schwestern

Logistisch war die Vierlings-Frühgeburt aber auch für das größte Perinatalzentrum Deutschlands eine Herausforderung.

"Wir mussten ganz kurzfristig viel Personal rekrutieren. Das waren bis zu zehn Schwestern und zwei Ärzte pro Tag mehr. Das über die Pfingsttage hinzukriegen war nicht so ganz leicht", so Bührer.

Der ärztliche Dienst wurde verdoppelt, denn die drei Jungen und das Mädchen mit einem Geburtsgewicht zwischen 655 und 960 Gramm sind als sehr unreife Frühgeborene "absolute Hochrisikopatienten", wie Bührer sagt.

Seine langfristige Prognose für die Vierlinge mit der ältesten Mehrlingsmutter der Welt: "Das sind Kinder, die sterben können, die sich schwere Krankheiten einfangen können und das sind Kinder, die auch durchaus Folgeschäden davontragen können."

Das hänge nicht damit zusammen, dass es Vierlinge sind und auch nicht damit, wie sie zustande gekommen sind, so Bührer. "Die Besonderheit ist, dass es sehr unreife Frühgeborene sind."

200 Zwillingsgeburten im Jahr

Doch auch das hängt den Charité-Experten zufolge nicht mit dem Alter der Mutter zusammen.

Durchschnittlich kommen Vierlinge nach Angaben des leitenden Geburtsmediziners der Charité Professor Wolfgang Henrich in der 29. Schwangerschaftswoche zur Welt. Henrich schränkt aber ein: "Es gibt auch bei jüngeren, ganz gesunden Frauen Vierlinge mit 25 Wochen."

Der Geburtsmediziner betrachtet die Vorgänge wie sein Kollege aus der Neonatologie gelassen. Er verweist auf die Erfahrung der Charité, die nach seinen Angaben unter den etwa 5000 Geburten pro Jahr rund 200 Zwillingsgeburten, zehn bis zwölf Drillings- und ein bis zwei Vierlingsgeburten betreut.

"Das führt auch zu einer Routine. Das führt dann weder zu Debatten noch zu großer Aufregung, sondern zu einem sehr ruhigen und professionellen Umgang mit dem Thema", sagt Henrich. Den Kinderwunsch und die Beweggründe der Mutter will Henrich nicht kommentieren.

Doch er appelliert an die Reproduktionsmediziner, nicht leichtfertig zu sein: "Eine Mehrlingsschwangerschaft ist per se eine Risikoschwangerschaft. Das fängt bei Zwillingen an", so Henrich.

Arzt hält Debatte für überzogen

Sein Appell richtet sich vor allem an die reproduktionsmedizinischen Kollegen im Ausland: "Die deutschen Reproduktionsmediziner versuchen höhergradige Mehrlingsschwangerschaften zu vermeiden. Das gelingt auch in den meisten Fällen. Die Fälle, die uns jetzt vermehrt begegnen, sind im Ausland entstanden", berichtet Henrich.

Die Geschichte von Annegret R. und ihren Vierlingen hält er für einen Ausnahmefall, die Debatte für überzogen: "Ich glaube nicht, dass das selbst bei größten Anstrengungen der Reproduktionsmediziner sich im großen Stil wiederholen wird", so Henrich.

Eines hat aber auch die Ärzte an der Charité etwas verwundert. Erfreut zeigen sie sich darüber, dass die Milchproduktion bei der 65-jährigen Mutter auf natürlichem Weg ohne Hormontherapie in Gang gekommen ist.

Das hatten selbst die Experten nicht erwartet. In diesem Einzelfall fehlt es ihnen schlicht an Erfahrung.

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