Von Jamestown aus startete vor 400 Jahren der Tabak seinen Siegeszug

WASHINGTON. Die USA feiern in diesem Monat ihr 400jähriges Jubiläum. Damit ist nicht die staatliche Souveränität gemeint (die wurde erst 1776 proklamiert), sondern die erste dauerhafte englische Siedlung in der Neuen Welt. Die Gründung von Jamestown am 14. Mai 1607 hatte auch für die globale Gesundheit einschneidende Konsequenzen - trat doch der Tabak von Virginia aus seinen Siegeszug an.

Von Ronald D. Gerste Veröffentlicht:

Am 14. Mai 1607 verließen 104 verdreckte, abgemagerte und von Dysenterie geplagte Gestalten ihre drei kleinen Segelschiffe, die Susan Constant, die Discovery und die Godspeed, auf denen sie die letzten fünf Monate verbracht hatte. Sie gingen an Land und errichteten die rot-weiße Fahne mit der St. Georgskreuz auf einem Territorium, das die Kartografen als "Virginia" bezeichneten.

Es war nach Einschätzung der erschöpften Engländer unbewohntes Land - unbewohnt von Europäern, denn die Eingeborenen, zählten für die Neuankömmlinge nicht. Zum Schutz vor diesen, die unzutreffend "Indianer" genannt wurden, baute man ein kleines Fort und benannte es nach dem englischen König James I.: Jamestown. Es war die Keimzelle des englischsprachigen Amerika und steht somit am Anfang der Genese der Vereinigten Staaten.

Die meisten Pioniere wurden krank oder verhungerten

Die ersten Jahre von Jamestown waren weniger ein permanenter Kampf mit den Indianern, als ein Kampf gegen Hunger und Krankheiten. Nach einem halben Jahr lebte nur noch ein Drittel der englischen Pioniere, die von der Aussicht auf Reichtum in die Neue Welt getrieben waren. Die Expedition bestand aus "Gentlemen" (die nicht körperlich arbeiteten), Handwerkern und Soldaten; einen Arzt hatte man nicht mitgenommen.

Einer der Kolonisten, George Percy, schrieb einige Monate nach der Ankunft desillusioniert: "Unser Essen bestand aus einer kleinen Tasse in Wasser aufgeweichter Gerstenkörner; unser Trinkwasser kam aus dem Fluss, der bei Flut sehr salzig, bei Ebbe voller Dreck und Schleim ist. Das war der Untergang für viele unserer Männer." Magen-Darm-Infektionen forderten im Sommer 1607 fast täglich Opfer, der Friedhof innerhalb der Wälle des Forts wurde bald zu klein.

Die Wende von Elend hin zu wirtschaftlicher Blüte und damit die Ausdehnung der europäischen Siedlungen in Virginia kam mit einem Naturprodukt, dessen Folgen die Medizin in allen Nationen heute beschäftigt. Dem Kolonisten John Rolfe gelang die Kultivierung einer Tabaksorte, die jenem geschmacklich überlegen war, der in den spanischen Kolonien in Mittelamerika angebaut wurde und der nur in begrenzten Mengen nach Europa kam. Virginia - der Name der Kolonie wurde bald synonym mit diesem Produkt - produzierte binnen weniger Jahre Tonnen von Tabak und exportierte die Blätter nach England, von wo sich die Sitte des Rauchens bald über ganz Europa und schließlich in andere Erdteile ausbreitete.

Zunächst glaubten Apotheker und Ärzte sogar, im Tabak ein neues Arzneimittel gefunden zu haben. Nur König James hatte medizinische begründete Bedenken - aber mochte wie aller Herrschenden nach ihm nicht auf die Steuern verzichten, mit denen Tabak bald belegt wurde. Es dauerte dann mehr als 300 Jahre, bis große epidemiologische Studien die Kausalität des Rauchens für die Entstehung von Lungenkrebs belegen konnten.

Der Tabak-Pionier John Rolfe wurde Opfer der Powhatans

Auch John Rolfe, der wie kein anderer für den Siegeszug des Tabaks aus Virginia verantwortlich ist, wurde seiner Innovation nicht froh. Die Tomahawks der Powhatans, der virginischen Ureinwohner, setzten seinem Leben 1622 ein gewaltsames Ende - grausig, doch viel schneller als das von Patienten mit Lungenkrebs.



Love-Story mit Pocahontas

Kaum eine Beschreibung der Ereignisse von 1607 und der folgenden Jahre ist komplett ohne die der vermeintlichen romantischen, die Grenzen der beiden so unterschiedlichen Kulturen überspringenden Beziehung zwischen John Smith und Pocahontas, der Lieblingstochter des "Königs" Powhatan. Pocahontas war erst elf Jahre alt, als sie auf Smith traf und ihm nach dessen eigner Schilderung das Leben rettete. Verliebt waren die beiden aber nie ineinander. Doch das aufgeweckte Mädchen, das zeitweise zu einer Art Vermittlerin zwischen beiden Kulturen wurde, hatte in der Tat ein großes Interesse an den Ankömmlingen. Sie heiratete später John Rolfe, den Tabakpionier, und starb 1617 bei einem Besuch in England an einer fiebrigen Erkrankung, möglicherweise Tuberkulose oder Pneumonie.



James I. - ein früher Mahner

Es kam im 17. Jahrhundert kaum jemals vor, dass ein König zu Feder griff und ein Büchlein verfasste. James I. von England (1603-1625) tat dies und schrieb bereits 1605 sein "Counterblaste to Tobacco". Die königliche Schrift, die noch vor der Tabak-Massenproduktion in den USA erschien - ist ein Klassiker der Gesundheitsaufklärung und bezeichnet den Tabakrauch als "abscheulich für das Auge, der Nase verhasst, schädlich dem Gehirn, gefährlich der Lunge..."

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