Wohltat für Gaumen und Körper

Jetzt ist Pilzsaison. In unseren heimischen Wäldern sind nicht nur wohlschmeckende Exemplare zu finden, sondern auch etliche Pilze mit Heilwirkung. Bereits Ötzi kannte offenbar den Nutzen einer Mykotherapie.

Von Ursula Armstrong Veröffentlicht:

Der Eismann Ötzi trug, als er vor etwa 5300 Jahren über die Alpen zog, Birkenporlinge um den Hals. Diese Pilze sind aber nur essbar, wenn sie sehr jung sind. Was also machte die Birkenporlinge für Ötzi so wertvoll? Der Mann vom Hauslabjoch hatte die Pilze vermutlich als Heilmittel dabei. Dem Birkenporling werden nämlich antibiotische Wirkungen zugeschrieben. Vor allem soll er bei Magenbeschwerden helfen. Dazu werden die Pilze in Scheiben geschnitten und 30 Minuten abgekocht. Dann wird der Sud getrunken.

Das Wissen um heilende Pilze ist sehr alt, aber bei uns in Vergessenheit geraten. Nun wird die Mykotherapie wieder entdeckt. Welche Heilpilze bei uns wachsen, wo sie zu finden sind, und wie man sie anwenden kann, erklärt die Kräuterfachfrau und PTA Ursula Buddeus bei Führungen im Freilichtmuseum Hessenpark bei Bad Homburg. Meist konzentriert sie sich bei ihren Führungen auf Heilkräuter und Wildgemüse, doch jetzt im Herbst geht es um heilende Pilze.

Da ist zum Beispiel ein ganz unscheinbarer Pilz: das Judasohr oder Mu-Err (Auricularia auricula-judae). Dieser Gallertpilz heißt auch Holunderschwamm, weil er häufig an Holunderbäumen parasitiert. Im Altertum und im Mittelalter war das Judasohr ein populäres Heilmittel.

"Holunderschwamm aufs Aug‘ gelegt, hat jeden Schmerz hinweggefegt", heißt es etwa in einer mittelalterlichen Redensart. Judasohr-Kompressen helfe tatsächlich bei trockenen, schmerzenden Augenlidern. Dazu müsse man den Pilz in lauwarmem Wasser aufquellen lassen und dann einfach auf die Augen legen, erklärt Ursula Buddeus.

Holzfäller nutzten Pilze zur Wundheilung

Vor allem an abgestorbenen Bäumen findet man häufig auch Zunderschwämme (Fomes fomentarius). Auch sie sind alte Heilmittel. So hätten Holzfäller, die sich verletzt hatten, früher einfach einen Zunderschwamm auf die Wunden gelegt, um die Blutung zu stillen, erzählt die Kräuterfrau.

Auch das giftige Mutterkorn (Claviceps pupurea) wird als Heilpilz genutzt.

Auch die medizinische Forschung hat die Pilze entdeckt. So hat die Pharmazeutin Professor Ulrike Lindequist von der Uni Greifswald den Kupferroten Lackporling untersucht, der an Laubbäumen wächst. Die Laboranalyse hat ergeben, dass dieser Pilz heilende Effekte auf die Haut bei Sonnenbrand hat. Die Forscherin hat nachgewiesen, dass nicht nur Zellschäden repariert wurden, sondern dass auch die Lebensdauer der Zellen positiv beeinflusst wurde.

Heilpilze können prinzipiell auf verschiedene Weise angewendet werden: So gibt es Arzneimittel mit Extrakten, die aber in Deutschland nicht zugelassen sind. Es sind jedoch Nahrungsergänzungsmittel (Kapseln mit Pilzpulver) auf dem Markt.

Schwermetalle belasten Heilpilze kaum

Am meisten Spaß macht aber die eigene Zubereitung etwa von Pilzpulver aus selbst gesammelten Pilzen, findet Buddeus. Dazu werden die frischen Pilze zum Trockenen auf Pergamentpapier ausgelegt und danach gemahlen, etwa mit einer Gewürzmühle. Da das Pulver oft nicht besonders gut schmeckt, rührt man es am besten in Orangensaft, Joghurt oder Quark. Die Dosis liegt bei einem Teelöffel Pulver pro Tag.

Stillt blutende Wunden: der Zunderschwamm.

Stillt blutende Wunden: der Zunderschwamm.

© Fotos (5): ug

Frische Heilpilze sind hingegen meist sehr wohlschmeckend - eine doppelte Wohltat für den Körper also, wenn man sie lecker zubereitet und isst. Die Sorge vor einer Schwermetallbelastung hält die Kräuterfachfrau für unbegründet. Davon seien vor allem Pilze am Boden betroffen. Viele heilende Pilze dagegen wachsen an Bäumen, und auch ihr Myzel ist in den Bäumen.

Wer jetzt Lust hat, in die Schwammerl zu gehen und heilende Pilze zu sammeln, dem rät Ursula Buddeus, sich erst einmal kundig zu machen. Schließlich ist die Verwechslungsgefahr mit giftigen Pilzen oft groß. Und noch etwas legt sie Sammlern ans Herz: "Pilze sind wichtig für das Wald-Ökosystem. Man sollte deshalb immer ein paar stehen lassen."

Vorgemerkt

Die Kräuterfachfrau Ursula Buddeus bietet Führungen im Hessenpark in Neu-Anspach bei Bad Homburg an (18. Oktober, 12 und 14 Uhr). Treffpunkt ist hinter der Museumskasse. Kosten: 3 Euro zzgl. Museumseintritt.

www.hessenpark.de und www.wildkraft.de

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