Herne

Zoff ums Kopftuch: Studierende beklagen Diskriminierung an Uni-Klinik

Medizin-Studierende der Ruhr-Uni Bochum gehen auf die Barrikaden: Sie erheben Diskriminierungsvorwürfe gegen eine Katholische Krankenhaus-Gruppe im Revier. Hintergrund ist das Kopftuchverbot.

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Das Logo der RUB Universitätsklinik ist am Hauptgebäude des Marien Hospital in Herne

In der Kritik: Marien-Hospital in Herne

© Caroline Seidel-Dißmannel / dpa

Bochum/Herne. Das Kopftuchverbot an verschiedenen Einrichtungen ist in Deutschland ein Dauerthema. Nun erheben Studierende der Ruhr-Universität Bochum (RUB) Vorwürfe gegen eine große Krankenhaus-Gruppe im Ruhrgebiet. Die „St. Elisabeth Gruppe (SEG) – Katholische Kliniken Rhein-Ruhr“ diskriminiere und benachteilige mit ihrem Kopftuchverbot Studentinnen, Praktikantinnen oder angehende Ärztinnen im Praktischen Jahr, kritisieren sie.

Die Beschäftigung von muslimischen Frauen, die im Dienst ein Kopftuch tragen, wird von der Klinik-Gruppe bisher abgelehnt. Daraus macht die Leitung um Geschäftsführer Theo Freitag keinen Hehl. Das neben vier weiteren Krankenhäusern zum Unternehmen gehörende Marien-Hospital in Herne ist eine Klinik des Uniklinikums der Ruhr-Universität Bochum (RUB).

Angestoßen von der Fachschaft Medizin hat sich das Studierenden-Parlament (StuPa) der Ruhr-Uni Ende Februar in einem Brief direkt an die Chefärztinnen und Chefärzte gewandt. In dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, beklagen die Studierenden mit Unterstützung des Dekanats die Haltung der Kliniken. Sie ignorierten das „weltanschauliche Neutralitätsgebot“, heißt es unter anderem.

Studierende sprechen von Belästigung

Im Rahmen von Praktika, Famulaturen und PJ sei es mehrfach zu Belästigungen und Diskriminierungen von jungen Frauen gekommen, die während ihrer Tätigkeit ein Kopftuch trugen. „Wir sind der Überzeugung, dass der im Grundgesetz verankerte Gleichheitsgrundsatz und die Freiheit der Religionsausübung zum Selbstverständnis einer jeden akademischen Institution in Deutschland gehören sollten“, betont die Studierenden-Vertretung.

Sollte die Klinik die starre und antiquierte Haltung nicht über Bord werfen, vom Kopftuchverbot abrücken und damit „allen“ Auszubildenden in den medizinischen Berufen zur Verfügung zu stehen, könnten die studentischen Gremien eine Zusammenarbeit „nicht weiter unterstützen“.

Für die Studierenden kommt eine Uni-Klinik nicht als Lehranstalt in Frage, wenn sich dort später keine Karriereperspektive bieten. Denn auch Ärztinnen und andere Mitarbeiterinnen dürfen dort kein Kopftuch tragen.

Wegen Kopftuchs der Klinik verwiesen

Auslöser des jüngsten – aber nicht ersten – Vorstoßes war der Rauswurf einer Auszubildenden im Januar im St. Marien-Hospital im Herner Stadtteil Eickel. Eine 24-Jährige hatte im Rahmen ihrer Ergotherapieausbildung ein Praktikum angetreten, war aber nach 14 Tagen wegen ihres Kopftuches des Hauses verwiesen worden. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Daher jetzt das Schreiben an die Chefärzte.

Dabei sind die Studierenden mit der Ausbildung an sich sehr zufrieden. Gleichwohl hat die Klinik-Gruppe für sie ein bereits gegebenes Wort gebrochen. Schon im Juli 2021 hatte sich der Fachschaftsrat Medizin (FSR) erstmals an die Krankenhausleitung gewandt. Im Oktober gab es ein Gespräch mit SEG-Vertretern. Dabei sei versichert worden, „dass künftig niemand mehr im Rahmen von Studium und Ausbildung solchen Belästigungen ausgesetzt sein soll“, betont Emre Yavuz, Sprecher der Medizin-Fachschaft.

Auf Anfrage weist die Klinik die Vorwürfe zurück, spricht von einem „bedauerlichen Missverständnis“ und räumt lediglich „Fehler in der Kommunikation“ ein. Es sei falsch gewesen, „dass die Praktikantin nicht bereits in ihrem Bewerbungsgespräch darüber informiert wurde, dass sie nicht mit Kopftuch im St. Marien Hospital Eickel arbeiten darf“, teilte Geschäftsführer Theo Freitag der dpa mit.

„Wäre die Geschäftsleitung über dieses Detail informiert gewesen, hätte die Praktikantin das Praktikum mit Kopftuch bei uns weitermachen können, weil der Fehler in der Kommunikation bei uns lag.“

Klinik hofft auf Lösung

Immerhin stellte der Klinikchef eine Lösung in Aussicht. Die Gruppe arbeite schon länger „an einer Lösung, die sowohl die gebotene religiöse Neutralität der Mitarbeiter gegenüber den Patienten als auch die privaten religiösen Interessen der Mitarbeiter berücksichtigt“. Für Studierende würden am Marien-Hospital dieselben Rahmenbedingungen gelten wie an anderen Uni-Kliniken.

Man gehe davon aus, dass „innerhalb der nächsten zwei Monate eine Lösung mit allen Beteiligten abgestimmt“ werde. Laut Fachschaft sei das Marien-Hospital jedoch die einzige Uni-Klinik weit und breit (auch in konfessioneller Trägerschaft), die kein Kopftuch duldet.

Neben fünf Krankenhäusern gehören weitere medizinische Einrichtungen wie ein Reha-Zentrum, ein ambulanter Pflegedienst, Ärztezentren, Hospize, das Bildungszentrum Ruhr, Seniorenzentren, eine Pflegeschule, ein Bildungswerk, eine Akademie für Logopädie, Physio- und Ergotherapie, eine Schule für Berufe im Operationsdienst und eine Hebammenschule zur großen Klinik-Gruppe.

Eigenen Angaben zufolge stellen mehr als 6600 Mitarbeiter an den Standorten Herne und Witten mit über 1600 Betten eine überregionale Versorgung sicher. Die Einrichtungen zeichneten sich durch „fachliche Kompetenz und Menschlichkeit“ aus, schreibt die Klinik-Gruppe auf ihrer Homepage. (dpa)

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