KV Hamburg

"Appeasement bei Bürgerversicherung ist falsch"

Ist es strategisch klug, noch vor dem Start von Gesprächen für eine neue große Koalition in Berlin mit einer Resolution zur Bürgerversicherung in die Offensive zu gehen? Einige Delegierte der KV Hamburg warnten vor bloßem "Polit-Bashing".

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Bürgerversicherung für alle? Nein, sagt die KV Hamburg und diskutiert über Strategien des Widerstands.

Bürgerversicherung für alle? Nein, sagt die KV Hamburg und diskutiert über Strategien des Widerstands.

© adisa / Stock.adobe.com

HAMBURG. Bürgerversicherung und gemeinsame Bedarfsplanung halten die meisten Ärzte in der Hamburger KV-Vertreterversammlung für keine gute Idee. Ob diese gesundheitspolitischen Forderungen der SPD aber jetzt, noch vor Aufnahme offizieller Koalitionsgespräche, durch die KV schon öffentlich in Bausch und Bogen verurteilt werden sollten – darüber waren sich die Mitglieder der KV Vertreterversammlung in Hamburg in ihrer jüngsten Sitzung keinesfalls einig.

"Die Bürgerversicherung verhindert keine Zwei-Klassen-Medizin – sie führt sie erst ein. Die Mitglieder der KV Hamburg sind entsetzt darüber, dass die politischen Parteien sich nicht für die konsequente Stärkung der Säulen unseres bewährten Systems – Selbstverwaltung und Selbstständigkeit – einsetzen."

Hausärzte stört die Wortwahl

Solche Formulierungen in einer vom Vorstand eingebrachten Resolution gingen einigen Hausärzten zu weit. Der Landesvorsitzende des Hausärzteverbandes Dr. Frank Stüven sprach von "reinem Polit-Bashing", bevor die Gespräche der Parteien überhaupt begonnen hätten. Er vermisst konkrete Forderungen in der Resolution. Der Abgeordnete Gregor Brinckmann störte sich an der Wortwahl und hielt es für fraglich, ob die KV ihren Zielen durch die Veröffentlichung einer solchen Resolution näher kommt. "Das Vorgehen ist nicht geschickt", sagte er unter Hinweis auf Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), die die von der KV kritisierten Punkte forciert.

Stüven und Brinckmann waren zwei von drei Vertretern, die nach langer Diskussion bei vielen Enthaltungen gegen die mehrheitlich verabschiedete Resolution stimmten. Besonders die Fachärzte stützten den Vorstandskurs. Dermatologe Dr. Michael Reusch hält "vornehme Zurückhaltung" in der jetzigen Phase für falsch: "Wir haben das Recht und die Pflicht, darüber öffentlich zu sprechen. Eine Bürgerversicherung wird die Versorgung unserer Patienten schließlich prägen", sagte Reusch.

Radiologe Dr. Andreas Bollkämper hielt die Resolution anders als Brinckmann und Stüven für "besonnen geschrieben". "Wir dürfen nicht erst tätig werden, wenn es zu spät ist", sagte Bollkämper. Aber auch Hausärztin Dr. Silke Lüder von der Freien Ärzteschaft hält es für richtig, rechtzeitig zu warnen. Sie verwies darauf, dass der Umsatz mit Privatpatienten erst viele Investitionen in moderne Medizintechnik ermöglicht, von der gesetzlich Versicherte Patienten profitieren. Die Sorge, dass Politiker verprellt werden könnten, darf die Vertreterversammlung nach ihrer Auffassung nicht leiten: "Wir stehen hier nicht für Appeasement."

Dr. Dirk Heinrich, Vorsitzender der Vertreterversammlung, begründete den klaren Wortlaut mit zunehmenden Signalen, dass auch in Teilen der CDU Elemente der Bürgerversicherung nicht mehr auf Ablehnung stoßen.

"Nur Ideologie!"

Der Bundesvorsitzende des NAV-Virchow-Bundes befürchtet, dass die Parteien in Deutschland in ihren gesundheitspolitischen Überlegungen nicht berücksichtigen, was das ambulante Gesundheitssystem stützt – die Prinzipien der Selbstverwaltung und der Selbstständigkeit. Die Resolution schließt deshalb mit dem Satz: "Sich ohne Not davon abzuwenden, kann nur Ideologie sein und entbehrt jeder vernünftigen Grundlage."

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