Risikostrukturausgleich

BAS: RSA-Kriterium „Wahlbeteiligung“ bedingt keine Leistungskürzung

Das Bundesamt für Soziale Sicherung sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Beim Risikostrukturausgleich gehe alles mit rechten Dingen zu. Regionen mit geringerer Wahlbeteiligung würden keineswegs „bestraft“

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Verwahrt sich gegen „interessengeleitete“ Missinterpretationen der regionalspezifischen RSA-Komponente „Wahlbeteiligung“: das Bundesamt für Soziale Sicherung in Bonn.

Verwahrt sich gegen „interessengeleitete“ Missinterpretationen der regionalspezifischen RSA-Komponente „Wahlbeteiligung“: das Bundesamt für Soziale Sicherung in Bonn.

© Horst Galuschka / dpa / iStock

Bonn. Das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) tritt Berichten entgegen, wonach Krankenkassen in Regionen mit geringerer Wahlbeteiligung (bei der Bundestagswahl 2021) kommendes Jahr Abstriche bei den Mittelzuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zu gewärtigen hätten.

So schreibt etwa die BILD Zeitung in ihrer heutigen Ausgabe (9. September), versehen mit der Überschrift „Irrer Plan – Schlechtere Kassenleistungen“, das BAS wolle 2025 seine regionale Komponente im Risikostrukturausgleich um das Kriterium „Wahlbeteiligung“ ergänzen. Regionen mit niedriger Wahlbeteiligung würden „bestraft“, dortigen Kassen bliebe deshalb nichts anderes übrig, als „Beiträge (zu) erhöhen oder Leistungen (zu) streichen“.

Zuvor hatte am Donnerstag (5. September) die Magdeburger Volksstimme den Sachverhalt berichtet und die Erwartung der AOK Sachsen-Anhalt zitiert, wonach sämtliche Kassen in dem Bundesland 2025 um die 50 Millionen Euro weniger aus dem Gesundheitsfonds erhalten könnten. Das Landessozialministerium Mecklenburg-Vorpommern wolle deshalb bei der Bonner Kassenaufsicht vorstellig werden.

„Falsche Schlussfolgerungen“

Dass „Wahlbeteiligung“ 2025 in das Setting der regionalspezifischen RSA-Komponenten aufgenommen werden könnte – laut BAS „zum ersten Mal“ –, bestätigte zwar am Montag Mittag die Behörde. Zugleich weist sie die Berichte aber als „ungenau“, „unzutreffend“ sowie mit „falschen Schlussfolgerungen“ versehen zurück. Behördenchef Frank Plate: „Zwischen dieser Variablen und den Leistungen, die eine einzelne Krankenkasse ihren Versicherten anbietet, besteht kein direkter kausaler Zusammenhang. Leistungskürzungen einzelner Krankenkassen sind deshalb nicht zu erwarten.“

Auch sei überhaupt noch nicht abschließend entschieden, welche Kriterien zur Berechnung des RSA kommendes Jahr angewendet werden. „In Kürze kommt der Wissenschaftliche Beirat zu seiner nächsten regulären Sitzung zusammen. In dieser wird er sich abschließend mit dem Festlegungsentwurf befassen.“

Im Übrigen resultiere die RSA-Variable „Wahlbeteiligung“ aus einem Gutachten dieses Beirats zur Weiterentwicklung des RSA von 2018, sei durch Studien belegt und im Stellungnahmeverfahren von den Kassen auch nicht moniert worden. Wörtlich heißt es in dem Gutachten, „dass die Wahlbeteiligung in einem engen Verhältnis zur sozialen Vernetzung, Kooperationsbereitschaft und Vertrauen in der Bevölkerung steht“ und daher „als Anhaltspunkt für das regionale Sozialkapital“ gelten könne.

Dabei gehe „eine niedrige Wahlbeteiligung einher mit einer Überdeckung“, erläutert das BAS. Denn bei gleicher Morbidität würden „Personen mit niedrigerem sozialen Status tendenziell weniger Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen“. Die tatsächlich anfallenden Leistungsausgaben seien geringer „als die Leistungsausgaben von Personen mit beispielsweise höheren Bildungsabschlüssen oder höherem Einkommen.“ Hinsichtlich der allgemeinen, morbiditätsorientierten Zuweisungskriterien (Alter, Geschlecht, Diagnosen und Verordnungen) des RSA würden die Kosten der Versicherten dann in Gebieten mit niedriger Wahlbeteiligung – „oder einem hohen Deprivationsindex“ – zunächst überkompensiert.

Noch sieben weitere Kriterien

Amtspräsident Plate: „Die Diskussion sollte faktenorientiert geführt und nicht interessengeleitet missbraucht werden. Ansonsten besteht die Gefahr, sowohl den vom Gesetzgeber eingerichteten Risikostrukturausgleich als auch das Bundesamt für Soziale Sicherung in unredlicher Weise zu diskreditieren.“

Einziges Kriterium im RSA-Feintuning ist „Wahlbeteiligung“ ohnehin nicht. Daneben sollen laut BAS als regionalspezifische RSA-Indikatoren für 2025 außerdem erstmals auch „Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in personenbezogenen Dienstleistungsberufen“, „Standardisierte Sterberate“ und „Säuglingssterblichkeit“ herangezogen werden. Zudem würden die bereits dieses Jahr angesetzten Merkmale „Sterbekosten“, „ambulante Pflege“, „Höhe der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds“ sowie „Anteil der kleinen und mittleren Unternehmen“ fortgeführt. (cw)

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