Chaos um die City BKK: Verunsicherung soll ein Ende haben

Ab heute wird es ernst. Weisen die gesetzlichen Krankenkassen weiterhin Versicherte der Pleitekasse City BKK ab, schließt Gesundheitsminister Daniel Bahr ernste Konsequenzen nicht aus

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Sollen alle zügig bei Kassen unterkommen: City BKK-Versicherte vor einer AOK-Geschäftsstelle in Berlin.

Sollen alle zügig bei Kassen unterkommen: City BKK-Versicherte vor einer AOK-Geschäftsstelle in Berlin.

© Gudath / imago

BERLIN (af/sun). Rund 130.000 Versicherte der City BKK vor allem in Hamburg und Berlin haben noch keine neue Versicherung. Die insolvente Kasse schließt zum 1. Juli.

Welche Konsequenzen die Verantwortlichen erwarten, wenn sie, wie in den vergangenen Wochen hundertfach geschehen, City BKK-Versicherte mit fadenscheinigen bis falschen Argumenten abwimmelten, hat Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) nun benannt: "Das fängt bei Geldstrafen an und geht hin bis zur Abberufung von Kassenvorständen."

Unter dem Eindruck der Drohungen aus der Politik gaben sich die Vertreter der Kassen nach einem Krisentreffen in Berlin geläutert. Von einer "echten Blamage" sprach der Chef der Techniker Krankenkasse Norbert Klusen.

Der GKV-Spitzenverband gibt sich zuversichtlich: "Wir erwarten, dass das Abwimmeln von Versicherten durch einzelne Kassen ein für alle Mal vorbei ist", sagte Verbands-Sprecher Florian Lanz der "Ärzte Zeitung".

Die Opposition bleibt jedoch misstrauisch. Die Linken haben eine Aktuelle Stunde im Bundestag beantragt. Linken-Politikerin Dagmar Enkelmann forderte von der schwarz-gelben Koalition eine "eindeutige und unmissverständliche Garantie" dafür, "dass mit dem von ihr provozierten Krankenkassenchaos" Versicherten keine Nachteile entstünden.

Die SPD forderte Bahr auf, darauf zu achten, dass die Kassen auch diejenigen Kunden der City BKK aufnähmen, die einen negativen Deckungsbeitrag aufwiesen. Binnen Minuten könne ein Sachbearbeiter aus wenigen Daten herauslesen, ob sich ein Kunde rechne und danach entscheiden, ob er ihn aufnehme oder lieber versuche, ihn abzuwimmeln, sagte Lauterbach.

Als Beispiel nannte er das Interesse des Versicherten an einem Chronikerprogramm. Die Pleite der City BKK ist nach seiner Ansicht nur der Anfang: Für das Wahljahr 2013 sieht er den Gipfel der Pleitewelle heranrollen, die die Kassen erfassen werde. Lauterbach geht davon aus, dass die von der Politik implantierten kostendämpfenden Effekte ihre Wirkung verlieren.

Zwangsrabatte und Preismoratorien seien zeitlich begrenzt. Die Frühbewertung von Arzneimitteln werde dem Gesundheitswesen erst in einigen Jahren Geld sparen. Die Preisdynamik bei den Hilfsmitteln lege zu. Das Versorgungsgesetz, das die Koalition in diesem Jahr beschließen will, werde Geld kosten.

Vorsichtig gerechnet kämen auf die gesetzlichen Krankenkassen rund zehn Milliarden Euro Mehrkosten in den kommenden beiden Jahren zu, sagte Lauterbach. Viele Kassen müssten dann Zusatzbeiträge von 16 bis 20 Euro erheben - zusätzlich zu eventuell heute schon fälligen Zusatzbeiträgen.

"Niemand wird eine Kasse mit 30 Euro Zusatzbeitrag übernehmen wollen", sagt Lauterbach voraus. Insolvenzen auch von deutlich mitgliederstärkeren Kassen als der City BKK seien dann die Folge.

Noch gibt es 155 gesetzliche Krankenkassen. Zu viele, wie die meisten Gesundheitspolitiker finden. Kassenpleiten seien "immer ordnungspolitisch gewollt" gewesen, räumte Bahrs Vorgänger, der neue Wirtschaftsminister Philipp Rösler, ein.

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Dr. Thomas Georg Schätzler 23.05.201115:41 Uhr

Ba(h)r jeder Vernunft?

Ganz so unschuldig ist Daniel Bahr auch als frischgebackener Bundesgesundheitsminister (BGM) an dieser Misere nicht. Menetekelnd beim Skandal um die City-BKK versucht er davon abzulenken, dass das große Kassensterben in der GKV von ihm und seinem Parteifreund, Ex-BGM Dr. med. Philipp Rösler, schon in seiner Zeit als parlamentarischer Staatssekretär geschickt eingefädelt wurde.

Auf Drängen von Bahr, Rösler und Jens Spahn, des gesundheitspolitischen Sprechers der CDU/CSU, hatte die Regierungskoalition bar jeder Vernunft und mittels einer 11-Milliarden GKV-Defizitlüge mit dem GKV-Finanzierungsgesetz (GKV-FinG) das Ende der paritätischen GKV-Finanzierung eingeleitet. Asymmetrische Beitragssatzerhöhungen, GKV-Einnahmenverringerung durch S e n k u n g der Beitragsbemessungsgrenze und fehlende Anpassung der Auszahlungen von Mittelzuweisungen aus dem Gesundheitsfonds beim Konjunkturaufschwung sind das Ergebnis. Die einseitig nur von den Versicherten zu zahlenden und nach oben offenen Zusatzbeiträge setzen eine "Todesspirale" in Gang: Junge, gesunde und mobile Versicherte sind die E r s t e n, die in eine andere Kasse wechseln. Die Alten, Kranken, Immobilen, Multimorbiden bleiben eher ihrer "k r ä n k e l n d e n" Kasse treu. Und haben bei drohender Insolvenz größte Probleme, eine neue aufnahmebereite Krankenkasse zu finden, werden stigmatisiert, herumgeschickt und ausgegrenzt.

Die Zahlen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) sagen für 2011 einen GKV-Einnahmeüberschuss von 5,8 Milliarden Euro voraus. Damit wäre die E r h ö h u n g der GKV-Beiträge ad absurdum geführt. Es ist schon scheinheilig, die Finanzbedingungen der Versicherten und der Gesetzlichen Krankenkassen massiv zu verschlechtern, um bei daraus resultierenden Problemen den „starken Staat“ zu markieren. Passt so gar nicht zur FDP-Überzeugung von der Selbstregulation des Marktes und dem Motto „Privat vor Staat“.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund



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