Bürger-Umfrage vorgestellt

Krankenhausgesellschaft: Kommission zur Klinikreform hantiert im luftleeren Raum

Reformpläne schmieden ohne Länder und Selbstverwaltung? Geht gar nicht, findet die Deutsche Krankenhausgesellschaft – und präsentiert Ergebnisse einer Bürger-Befragung zur stationären Versorgung. Denn auch die Erwartungen der Patienten sollten beim Umbau berücksichtigt werden, betont die DKG.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Klinikpersonal bei der Arbeit: Die Krankenhausgesellschaft warnt vor Reformen ohne Einbezug der Praktiker vor Ort.

Klinikpersonal bei der Arbeit: Die Krankenhausgesellschaft warnt vor Reformen ohne Einbezug der Praktiker vor Ort.

© Robert Kneschke / Zoonar / picture alliance

Berlin. Die Regierungskommission zur Krankenhausreform tagt seit knapp sechs Monaten – Länder und Vertreter der Selbstverwaltung sind an den Beratungen nicht beteiligt. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat dieses Vorgehen der Ampel und ihres Gesundheitsministers Professor Karl Lauterbach (SPD) erneut als „extrem unbefriedigend“ kritisiert.

„Es gibt für diese Regierungskommission überhaupt kein klares Zielbild“, sagte DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß bei der Vorstellung einer Umfrage zur Gesundheitsversorgung am Mittwoch. Die Kommission arbeite „vor sich hin, ohne dass sie weiß, was die wesentlichen politischen Akteure – Bund und Länder – wollen“.

Ebenso fehlten in der Runde die Erfahrungen von Vertretern der Selbstverwaltung, um die Vorschläge „auf Praxistauglichkeit“ zu überprüfen.

Gaß: „Nicht klar, in welche Richtung es gehen soll“

Lauterbach habe es versäumt, der Kommission eine Runde „vorzuschalten“, die kläre, „was eigentlich verändert werden soll in der Krankenhauslandschaft und in welche Richtung es gehen soll“, monierte Gaß. Deshalb arbeiteten die 16 Expertinnen und Experten „in einer Art luftleerem Raum“. Am Ende drohe „eine Blaupause für ganz Deutschland“ herauszukommen, die nicht zu dem passe, was die Verantwortlichen vor Ort von einer Reform erwarteten.

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Die Krankenhäuser stellten sich notwendigen Veränderungen. Einen „kalten Strukturwandel“ lehnten sie aber ab. Bedürfnisse und Erwartungen der Bundesbürger seien bei einer Reform ebenfalls zu berücksichtigen, sagte Gaß und verwies dazu auf die Ergebnisse der von der DKG beauftragten Umfrage mit insgesamt 5000 Teilnehmern.

Demnach vertraut das Gros der Bundesbürger der Arbeit der Krankenhäuser. 86 Prozent der Befragten ist wichtig, bei einer Erkrankung im Urlaub zurück in ein Krankenhaus in Deutschland zu kommen. Gleichzeitig zeigen sich mit Blick auf die Zufriedenheit große regionalen Unterschiede: Je niedriger die Bevölkerungsdichte und damit die Zahl der Krankenhäuser in einer Region, desto geringer fällt die Zufriedenheitsquote aus (siehe nachfolgende Tabelle).

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Regionale Unterschiede bei Zufriedenheit mit Kliniken

Erheblichen Handlungsbedarf sehen die Bundesbürger bei der Personalausstattung. 41 Prozent der Befragten sagen, zu wenig Zeit des Personals für die Patienten stelle das größte Problem im Gesundheitswesen dar. Lange Wartezeiten auf Arzttermine stuft jeder vierte Befragte als misslich ein. 15 Prozent beschweren sich über zu hohe Kassenbeiträge.

Die Erreichbarkeit des Krankenhauses ist für die meisten Befragten ebenfalls wichtig. Über 50 Prozent erwarten, ein Krankenhaus innerhalb von 20 Minuten erreichen zu können. Für weitere 30 Prozent wäre eine Fahrzeit von maximal 30 Minuten noch in Ordnung. 15 Prozent würden mehr als 30 Minuten bis zum nächsten Krankenhaus als angemessene Entfernung tolerieren.

Gaß leitete aus diesen Angaben den Auftrag an die Politik ab, bei der geplanten Krankenhausreform eine ausgewogene Balance zwischen „wohnortnaher Grundversorgung und Zentralisierung“ zu finden. Gerade die Unzufriedenheit in strukturschwachen Gebieten könne sich sonst zu „sozialem Brennstoff“ entwickeln.

Lücken beim Notfall – „jenseits des Krankenhauses“

In Notfällen verhalten sich die Bundesbürger den Angaben zufolge sehr unterschiedlich. Knapp 33 Prozent rufen bei einem Notfall, der nicht als lebensbedrohlich, aber als akut empfunden wird, den Notruf 112. Für den Hausarzt als ersten Ansprechpartner entscheiden sich gut 27 Prozent, für einen Anruf beim ärztlichen Bereitschaftsdienst 20 Prozent. Den Weg in die nächste Krankenhausambulanz suchen 13 Prozent.

Insgesamt ließen diese Zahlen darauf schließen, dass es Lücken in der ambulanten Notfallversorgung „jenseits des Krankenhauses“ gebe, meinte Gaß. Nicht umsonst wünschten sich gut die Hälfte der Befragten (55 Prozent), dass Krankenhäuser zentrale Anlaufstelle für ambulante Notfälle sein sollten. Zugleich sprach der DKG-Chef von einem „Auftrag an niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser mit guten Strukturen, die Versorgung gemeinsam sicherzustellen“.

Für eine Ambulantisierung Richtung Krankenhaus spreche, so Gaß, dass sich 76 Prozent der Befragten wünschten, dass Krankenhäuser mehr ambulante fachärztliche Angebote unterbreiten. Das von der Regierungskommission vorgelegte Papier zur Einführung von Tagespauschalen – also bei Behandlungen im Krankenhaus ohne Übernachtung des Patienten – sei daher ein „richtiger Schritt“. Gleichwohl seien noch viele Fragen offen.

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