Das Leiden der US-Ärzte

Ärzte in den USA sind die bestbezahlten der Welt. Glücklich macht sie das aber nicht. Vor allem Hausärzte hadern mit ihrem Job. Bei der Wahl der Praxis gibt es im Land der Freiheit mittlerweile ähnliche Trends wie in Deutschland.

Von Claudia Pieper Veröffentlicht:
Arzt in den USA - mit ähnlichen Problemen wie hierzulande.

Arzt in den USA - mit ähnlichen Problemen wie hierzulande.

© ZUMA Press / imago

WASHINGTON. Das Einkommen amerikanischer Ärzte schrumpfte im vergangenen Jahr. Mit über 300.000 US-Dollar verdienen manche Fachärzte jedoch immer noch eine beachtliche Summe.

Die Einkommensunterschiede zwischen den Spezialitäten sind allerdings nach wie vor beträchtlich - und sorgen bei vielen Ärzten für Unzufriedenheit.

Spitzenverdiener waren im Jahr 2011 erneut die Radiologen und Orthopäden: mit durchschnittlich 315.000 US-Dollar Jahreseinkommen.

Kardiologen und Anästhesisten folgten mit jeweils 309.000 Dollar. Im Jahr zuvor hatte deren Einkommen noch bei 350.000 und 325.000 Dollar gelegen.

Am unteren Ende der standen nach wie vor Ärzte in der Basisversorgung: Internisten verdienten 165.000 Dollar, Hausärzte 158.000 Dollar und Kinderärzte 156.000 Dollar.

Sie verzeichneten allerdings im Vergleich zum Vorjahr leichte Einkommenssteigerungen zwischen zwei und fünf Prozent.

Die Zahlen wurden jetzt von der Internetpublikation Medscape veröffentlicht, die jährlich eine Umfrage unter Ärzten durchführt.

Über 24.000 Mediziner aus 25 Fachrichtungen nahmen Anfang 2012 an der Studie teil und beantworteten nicht nur Fragen zum Einkommen, sondern gaben auch Auskunft über ihre Berufszufriedenheit.

Nur jeder zweite wollte nochmal Arzt werden

Obwohl die Einkommen der US- Ärzte weit über dem internationalen Durchschnitt liegen, sind viele Mediziner desillusioniert. Nur 54 Prozent sagten, dass sie ihren Beruf wieder wählen würden.

Das sind deutlich weniger als noch im Jahr zuvor, als 69 Prozent angaben, sie würden wieder Arzt werden. Viele scheinen zudem zu bezweifeln, ob sie die richtige Fachrichtung gewählt haben: Nur 41 Prozent meinten, sie würden sich noch einmal für die gleiche Spezialität entscheiden.

Noch unzufriedener sind die Ärzte mit der Organisation ihrer Praxis. Nur rund ein Viertel würde erneut die gleiche Art der Niederlassung wählen.

In diesem Bereich hat die Frustration enorm zugenommen: 2011 antworteten noch die Hälfte, sie würden die gleiche Praxisentscheidung wieder treffen.

Nach spezifischen Gründen für die Unzufriedenheit hat die Medscape-Studie nicht gefragt. Es sind aber Trends sichtbar, die auf Ursachen deuten.

Mehr Angestellte als Praxisgründer

So scheint zum Beispiel eine wachsende Anzahl von Ärzten der Verantwortung für eine private Praxis überdrüssig. Laut der Medical Group Management Association waren im Jahr 2005 noch zwei Drittel der amerikanischen Arztpraxen im Eigentum von Medizinern.

Innerhalb der folgenden drei Jahre verkauften so viele Ärzte ihre Praxen an Kliniken, dass der Anteil der Praxen in Medizinerhand auf rund 50 Prozent sank.

Der Trend geht weiter: Im Jahr 2010 war die Zahl der neuen Mediziner, die sich von einem Hospital(system) anstellen ließen, erstmals größer als Zahl derer, die sich für eine private (Gruppen-)Praxis entschieden.

Finanziell zahlt sich ein solcher Schritt nicht unbedingt aus: Medscape ermittelte, dass die bestbezahlten Mediziner in privaten Gruppenpraxen arbeiten.

Als Partner in einer solchen Praxis verdienten Ärzte durchschnittlich 308.000 Dollar, als Angestellte dagegen lediglich 194.000 Dollar. Einzelkämpfer kamen auf ein Einkommen von 175.000 Dollar.

Allgemeinärzte mit dem Gehalt am wenigsten zufrieden

Auch der Unzufriedenheit mit der gewählten Fachrichtung kommt die Studie auf die Spur. Hier fällt vor allem auf, wie wenige unter den Hausärzten und Internisten wieder die gleiche Fachrichtung wählen würden.

Nur 32 Prozent der Hausärzte sagten, sie würden die gleiche Entscheidung wieder treffen. Bei den Internisten war es noch extremer: Nur 25 Prozent wollten erneut in die gleiche Spezialität gehen.

Nicht überraschend: Die genannten Alllgemeinmediziner waren auch unter den Unzufriedensten, was ihr Einkommen anbelangte. Weniger als die Hälfte fühlten sich fair bezahlt.

Die hohen Unzufriedenheitsraten unter den Allgemeinmedizinern sollten Gesundheitspolitiker alarmieren.

Wenn sich die Zahlungs- und Arbeitsbedingungen dieser Ärzte nicht verbessern, wird sich das amerikanische Gesundheitssystem mit einem immer stärkeren Primärärztemangel konfrontiert sehen.

Die Studie definiert Einkommen für angestellte Ärzte als Gehalt vor Steuern inclusive Boni und evtl. Gewinnbeteiligung. Für Selbständige/Partner einer Praxis gilt: Einnahmen nach Abzug der praxisrelevanten (absetzbaren) Ausgaben, vor Einkommensteuer.

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