Kommentar zum Sterbehilfe-Gesetzesvorstoß

Das Schwert des Strafrechts

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:

Lange, sehr lange dauerte es, bis in der Sterbehilfedebatte eine Gruppe von Abgeordneten Nägel mit Köpfen gemacht hat. Am Dienstag, mehr als sieben Monate nach der Orientierungsdebatte im November im Bundestag, hat eine interfraktionelle Gruppe nun einen Gesetzentwurf vorgelegt.

Ziel ist es, die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung zu verbieten. Sterbehilfeorganisationen wie Dignitas oder der Gruppe um den Hamburger Ex-Senator Roger Kusch würde es an den Kragen gehen, wenn dieser Entwurf im Bundesgesetzblatt stünde.

In rund 20 Seiten Begründung versuchen die Autoren ihr Ansinnen zu erklären: Durch Sterbehilfevereine oder entsprechend tätige Einzelpersonen, die Sterbewilligen beispielsweise ein tödlich wirkendes Medikament verschaffen, drohe eine "gesellschaftliche Normalisierung" und ein "Gewöhnungseffekt" für solche Formen des geschäftsmäßig assistierten Suizids, heißt es.

Die langen Beratungen vor der Veröffentlichung des Gesetzentwurfs verdanken sich auch der Erkenntnis, dass wer Verbote ausspricht, auch neue Grauzonen schafft. Dignitas & Co. kann der Gesetzgeber verbieten, das von deren Mitgliedern beförderte Denken aber nicht.

So bleibt die Frage, ob das scharfe Schwert des Strafrechts tatsächlich die richtige Antwort auf vermeintlich "beunruhigende Entwicklungen" darstellt: Steigt die Zahl der Mitglieder in solchen Vereinen dramatisch? Gibt es auch nur ansatzweise Belege für die Behauptung, insbesondere alte Menschen würden sich durch die bloße Existenz dieser Vereine "unter Druck gesetzt fühlen"? Auffällig ist in der Gesetzesbegründung der gewundene Versuch der Abgeordneten, jeden Verdacht des Paternalismus von sich zu weisen. Denn bei der prinzipiellen Straflosigkeit des Suizids und der Teilnahme daran soll es bleiben.

Im Juli ist die erste Beratung der Gesetzentwürfe geplant. Nun müssen also die Befürworter einer Legalisierung des ärztlich assistierten Suizids unter engen Voraussetzungen nachziehen. Gleiches gilt für die Abgeordneten, die in der Orientierungsdebatte lediglich für eine stärkere Kontrolle von Sterbehilfevereinen geworben haben.

Demokratie lebt vom Diskurs. Nun ist - auch formal - die Debatte eröffnet.

Lesen Sie dazu auch: Plan von Parlamentariern: Sterbehilfevereine sollen sterben

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Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 12.06.201523:06 Uhr

Liebe Frau Heidemarie Heubach, mal ehrlich, wundert Sie das, wenn Sie hier Ärzten öffentlich Tötungsabsichten unterstellen?

Sie sind nicht mehr ganz bei Trost, einfach maßlos in Ihren falschen Anschuldigungen, das geht zu weit! Dann sind Sie sicher auch damit einverstanden, dass man Heilpraktiker und ähnliche "therapeutische" Impfgegner, wegen versuchten Todschlag ins Gefängnis wirft.
Ich sag ihnen ganz ehrlich, ich bin auch ein ganz entschiedener "Feminismus-Gegner", ich weis wirklich nicht warum solche Querschläger auch noch mit öffentlichen Medaillen geehrt werden. Das steigt denen natürlich zu Kopf.
Denn Feministinnen und sehr kinderfeindlich und machen damit unsere Gesellschaft systematisch kaputt.
Wer von denen hat sich denn z.B. bei dem skandalösen Kitastreik, einmalig in der Welt, zu Wort gemeldet.
Alles für die Damen, alles gegen die Kinder (und gegen die Mütter). Gegen "Erziehungsgeld" wird ja auch polemisiert, nur keine Kinder!
So was wie programmierter Selbstmord einer Gesellschaft, nach uns die Sintflut.

Heidemarie Heubach 10.06.201519:19 Uhr

DANKE Herr Dr.Bayerl !

- für Ihre ärztlich-guten Wünsche für meine Person. Da sieht man doch mal, was so in Doktoren alles drinsteckt..............

Dr. Thomas Georg Schätzler 10.06.201514:33 Uhr

Dafür oder Dagegen?

G e g e n fast alle Krankheitsentitäten gibt es ambulante/stationäre Pharmako- und Physiotherapien, Spritzen, Kuren, Minimalinterventionen oder OPs: Bei Herz- und Hirn-Infarkten, Lungenembolien, akutem Abdomen, eingeklemmten Hernien, KHK, systolischen/diastolischen/pulmonalen Hypertonien, Hyperlipidämien, PAVK, Mesenterialinfarkten, Tumorkrankheiten, Kachexie und Marasmus, zerebralen Krampfanfällen, Gallenstein- und Nierensteinkoliken, entgleistem Typ-1 und 2-Diabetes, Addison-Krisen, Thyreotoxikosen, Nierenversagen, dekompensierter Herzinsuffizienz, Infektionen mit Viren/Bakterien/Pilzen/Parasiten oder chronischen Schmerzen.

F ü r das Sterben gibt es kein allgemeingültiges Vorgehen. Der Wunsch nach einem schönen, entspannten, selbstbestimmten, friedlichen Tod ist vermutlich so alt wie die Menschheit selbst. Wer zu Lebzeiten im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit selbstbestimmt zur kulturellen Reflexion über sein eigenes Dasein und das der Anderen ansetzt, bedenkt in den seltensten Fällen das allen gemeinsame, zukünftig sichere Lebensende. Wie man in einer ausweglosen Situation selbst sein Leben beschließen und beenden möchte, kann kaum schwerstkrank, eingetrübt, somnolent, demenziell, präfinal oder im Todeskampf ohne Druck frei reflektiert werden.

Dafür wären fremde Hilfen und Hände nötig! Doch wer soll das entscheiden? Wer soll Rechtsgüter, Interessenlagen, Ambivalenzen, Wunsch und Wirklichkeit auseinander halten? Die noch längst nicht bewältigte Begrifflichkeit des „lebensunwerten Lebens“, ein demagogisches Schlagwort aus schwärzesten und verbrecherischsten Zeiten jüngerer deutscher Geschichte des Nazi-Deutschlands kommt dabei wieder hoch. Ernsthafte Diskussionen über gesetzlich zulässige Sterbehilfe-Formen, einschließlich der "ärztlichen Freitodhilfe" à la U.-C. Arnold, der Hilfen am Lebensende durch terminale Sedierung, der passiven Sterbehilfe durch Unterlassen weiterer Interventionen o. ä. eignen sich nicht für eine populistisch-dampfplaudernde Debattenkultur. Ich persönlich warne vor dem Missverständnis ärztlicher Tätigkeit als irrlichternder Todesengel und "Dr. Death".

Denn die von Juristen, Ethikern, Medizinern, Philosophen, Dichtern und Denkern, Medien und der Öffentlichkeit immer wieder bemühte Begrifflichkeit von gelebter „Selbstbestimmung“ bis in den Tod hinein, geht doch über die freie Entscheidung und den freien Akt einer autonomen Freitod-Handlung hinaus. Gerade der Einsatz und die ggf. juristisch noch zu definierende Suizid-handlungsleitende Begleitung durch Ärzte, Vereine, Verbände, Sterbehelfer, Theologen, Thanatologen, wohlmeinend-betroffene Angehörige, potenzielle Erben, Honorar-Vertragspartner, Freunde, Verwandte oder kommerzielle Geschäftsleute bedingen doch zugleich die Infragestellung der eigentlichen Selbstbestimmung.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Wolfgang P. Bayerl 10.06.201512:01 Uhr

Liebe Frau Heidemarie Heubach

ich wünsche Ihnen ein frühzeitige Hornhauttrübung.

Heidemarie Heubach 10.06.201511:45 Uhr

Die bisherige Gewöhnung an "geschäftsmäßiges Töten" reicht ja auch wirklich!

Damit meine ich die inzwischen als normal angesehene Beförderung sogenannt-prognostizierter "Hirntoter" aus ihrem (evtl.) Sterbeprozess zur Leiche durch Ärztehand, entweder durch Abstellen der - auch für andere hirnverletzte Patienten lebensnotwendigen - Geräte oder durch Explantation.
Wenn diese "geschäftsmäßige Sterbehilfe" demnächst strafbar ist durch das neue Gesetz, fände ich das gut - auch angesichts der an mittelalterliche Folter erinnernde Organentnahme ohne Vollnarkose bei ungesicherter Schmerzempfindungsmöglichkeit (Anästhesisten können ein Lied davon singen!).

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