Dem "Phänomen Honorararzt" auf der Spur
Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung wollen das "Phänomen Honorararzt" beschreiben. Jetzt haben sie einen Zwischenbericht vorgestellt.
Veröffentlicht:BERLIN. Decken Honorarärzte lediglich Belastungsspitzen im Krankenhaus oder als Vertretungen in Arztpraxen ab, oder sind sie bereits unverzichtbarer Teil des Systems? Antworten auf diese Frage will jetzt eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung erarbeiten.
Noch ist keine Antwort in Sicht. "Die Zahlen sind schillernd", sagte Dr. Klaus-Dieter Wurche bei der Vorstellung eines Positionspapieres der beiden Organisationen am Donnerstag. Wurche ist Präsident der Ärztekammer Bremen.
Schätzungsweise 3.000 bis 4.000 Ärztinnen und Ärzte sollen laut dem Positionspapier als Honorarkräfte tätig sein, 800 davon täglich. Gut 40 Prozent sind Anästhesisten, gefolgt von jeweils gut elf Prozent Allgemeinmedizinern und Internisten.
Dies sind Hochrechnungen aus einer Umfrage des Berufsverbandes der Honorarärzte (BV-H). Schätzungen anderer Ärzteorganisationen kommen zu höheren Zahlen. 5.000 regelmäßig eingesetzte Honorarärzte vermutet der Marburger Bund.
Manchmal ist von bis zu 12.000 Honorarärzten die Rede, viele davon fest angestellte Krankenhausärzte und gleichzeitig Teilzeit-Honorarkräfte an anderen Kliniken. Etwa 60 Prozent aller medizinischen Einrichtungen in Deutschland sollen den Einsatz von Honorarärzten praktizieren oder bereits erwägen.
Keine der Zahlen sei belastbar, heißt es in dem Positionspapier der Arbeitsgruppe. Ein Ende 2010 installiertes Meldeverfahren für Honorarärzte solle für Klarheit sorgen, kündigte Wurche an.
Die Voraussetzungen, um als Honorararzt zu arbeiten, hat der Gesetzgeber 2007 mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz geschaffen.
Die seitherige Entwicklung ist nach Ansicht der Teilnehmer an der Arbeitsgruppe nicht Ursache, sondern Auswirkung und Folge des Ärztemangels einerseits und einer sinkenden Attraktivität des Arztberufes andererseits.
Die Verdienstmöglichkeiten tun ein Übriges. 70 bis 100 Euro die Stunde erhielten Honorarärzte, sagte Wurche. "Die ungewohnte Erfahrung, dass alle Arbeitsstunden vergütet werden, stellt einen Anreiz dar", sagte Wurche. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein weiterer häufig genannter Grund.
Auch für Vertragsärzte gewinnt die Arbeit als Honorararzt an Bedeutung. "Sie schließen Lücken in strukturschwachen Regionen", sagte Dr. Bernhard Rochell, der Leiter des Dezernates Vergütung, Gebührenordnung und Morbiditätsorientierung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
In einer Praxis zu arbeiten sei ein Bereich, in dem Krankenhausärzte sich als Niedergelassene ausprobieren könnten - ohne Regelleistungsvolumen und Sorge vor Regressen. Von den bisher bekannten Honorarärzten arbeite etwa ein Fünftel als Praxisvertretung, annähernd jeder dritte sei im Notfalldienst tätig.