Gastbeitrag

Deutschland schrumpft, Horst Köhler spricht Klartext

Im Sommerinterview des ZDF fand der Bundespräsident erstaunlich offene Worte zur demografischen Entwicklung.

Von Fritz Beske Veröffentlicht:

Ein präsidiales Wort wiegt schwer. In dem Sommerinterview des ZDF mit führenden Repräsentanten des politischen Lebens interviewte Peter Hahne in der Sendung "Berlin direkt" am 5. Juli den Bundespräsidenten Horst Köhler.

Peter Hahne sprach dabei eine Demografiestudie an, zunächst mit der Bemerkung, dass die Regierung diese Studie schnell in die Tasche gesteckt habe, dann mit der Frage: "Kann man den Leuten diese Wahrheit zumuten? Oder ist sie zu feige, den Leuten die Wahrheit zu sagen?"

Die Antwort des Bundespräsidenten lautete: "Ich glaube, dass wir langfristige Probleme dieses Landes nicht offen genug, auch nicht ehrlich genug mit dem Volk diskutieren (…). Wir wissen, dass die deutsche Bevölkerung schrumpfen wird. Bis zum Jahr 2050 vielleicht in der Größenordnung acht bis zehn Millionen. Das heißt: Schrumpfungsprozesse gibt es nicht nur in Ostdeutschland. Es gibt sie auch in Westdeutschland."

Und auf die Frage: "Was kann man dagegen tun?", sagte der Bundespräsident: "Klarmachen, dass die bisherigen Verhaltensweisen, alles anzubieten, was denkbar ist und den Leuten Spaß macht, nicht möglich ist. Das Wichtigste in dieser Situation ist, dass die Bürger sich damit befassen - ob es um die Alterung der Bevölkerung oder den Rückgang der Bevölkerung geht."

Dieses Interview und die klaren Worte des Bundespräsidenten helfen in der Debatte über die Ausrichtung der gesundheitspolitischen Diskussion auf die Probleme der Gesundheitsversorgung von morgen. Eine alternde Bevölkerung mit der Zunahme von Multimorbidität und chronischen Krankheiten einerseits und die ständige Abnahme der im Erwerbsleben stehenden Bevölkerung - von Steuer- und Beitragszahlern - andererseits, erfordert eine langfristige Planung, erfordert aber auch Ehrlichkeit der Bevölkerung gegenüber, die sich auf diese Entwicklung einstellen muss. Dies, wie es die Bundesgesundheitsministerin getan hat, als menschenverachtend und als Panikmache zu bezeichnen, geht an der Wirklichkeit vorbei.

Etwas zu leugnen ist ein Abwehrmechanismus, mit dem die eigene Betrachtungsweise gestützt wird. Dies mag so bis zur Bundestagswahl gehen. Danach sind Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit gefordert, denn nur so sind die Probleme der Zukunft zu lösen.

Unserem Bundespräsidenten sei gedankt.

 

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