Hausärzte und Psychiater

Die Zeichen stehen auf Kooperation

Hausärzte, Neurologen und Psychiater diskutieren ihre Wege zur Kooperation unter neuem Vorzeichen: Ärzteknappheit auf beiden Seiten.

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Hausärzte und Psychiater loten angesichts des Ärztemangels ihre Kooperationsmöglichkeiten aus.

Hausärzte und Psychiater loten angesichts des Ärztemangels ihre Kooperationsmöglichkeiten aus.

© apops / fotolia.com

NEU-ISENBURG. "Die Sorge, dass der Patient vom Feindflug zum Facharzt nicht mehr zum Hausarzt zurückkehrt, ist von gestern. Heute ist es eher schwierig, rechtzeitig den Facharzt zu finden."

In diesem Punkt sind sich Dr. Frank Bergmann, Vorsitzender des Berufsverbandes der Nervenärzte (BVND), und Dr. Berthold Dietsche, Vorsitzender des Hausärzteverbandes in Baden-Württemberg, einig.

In der Redaktion der "Ärzte Zeitung" trafen sie zusammen, um über Ansätze einer intensiveren Kooperation der beiden Berufsgruppen zu sprechen mit dem Ziel, bei steigender Morbiditätslast, aber knapper werdenden haus- und fachärztlichen Arbeitskapazitäten eine qualitativ hochwertige psychiatrische und neurologische Versorgung sicherzustellen.

Überall weisen die Fallzahlen in der neurologisch-psychiatrischen Versorgung nach oben, ohne dass dies gegenwärtig in der Bemessung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung berücksichtigt werde, konstatiert Bergmann. "Wartezeiten spielen eine Rolle, sie sind de facto ein Problem." Umso kontraproduktiver sei der vom Gesetzgeber geplante Aufkauf von Praxissitzen.

Bergmann plädiert für eine intensivierte Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzten, zum einen deshalb, weil es eine "riesengroße Schnittmenge" an gemeinsamen Patienten von Neurologen/Psychiatern und Hausärzten gebe. Zum anderen deshalb, weil beide Fachgruppen häufig chronisch Kranke betreuen.

"Praxen schließen reihenweise"

Auch Berthold Dietsche sieht eine "dramatische Entwicklung": "Die Praxen schließen reihenweise bei einer massiven Zunahme insbesondere psychischer Erkrankungen." Angesichts der demografischen Entwicklung sei mit einer bedeutenden Zunahme gerontopsychiatrischer Erkrankungen zu rechnen.

Dabei sei der Hausarzt heute in der Regel erste Anlaufstelle des Patienten, meist auch deshalb, weil eine Primärinanspruchnahme des Facharztes kaum noch möglich sei. Die Herausforderung für den Hausarzt sei es, im Akutfall die kompetente fachärztliche Versorgung zu organisieren.

Eine Option sei es, Hausärzte besser in der Psychiatrie zu qualifizieren, insbesondere bei den häufigen Krankheitsbildern Depression, Psychosen, Demenz und Suizidgefährdung.

Eine organisatorische Verbesserung sei mit der Kombination aus Paragraf 73b/c-Verträgen erreichbar: mit der gezielten Überweisung zum Facharzt, Terminvermittlung und -garantie, gegenseitigen Informationsverpflichtungen und einer gezielten Längsschnitt-Betreuung durch den Facharzt.

Eine gute Qualifikation der Hausärzte sieht Bergmann als wichtige Chance, neuropsychiatrische Erkrankungen möglichst früh zu diagnostizieren, insbesondere auch bei Demenz. Nach einer frühen Konsultation des Facharztes müsse der Patient durch den Hausarzt weiter betreut werden - einschließlich der Arzneimittelversorgung.

Die Versorgungsrealität sei aber durch zu viele Zufälligkeiten charakterisiert. Gut funktioniere es dort, wo beispielsweise informelle Netze zwischen Haus- und Fachärzten existierten.

Regionale Behandlungspfade

Diese seien aber im Zeitablauf nicht immer stabil. Bergmann plädiert für auf die jeweilige Region und die dortigen Versorgungserfordernisse adaptierte Behandlungspfade - eine Leitlinie der Fachgesellschaft sei dafür allein nicht ausreichend. Sehr sinnvoll sei ein mehrmaliger Austausch von Haus- und Fachärzten in Fallkonferenzen.

Das entspreche durchaus den Erfahrungen der strukturierten Zusammenarbeit in Baden-Württemberg, ergänzte Dietsche. Die Politik müsse verstehen, dass eine strukturierte Versorgung notwendig sei, um "nicht in Riesenprobleme hineinzulaufen".

Inhaltlich stimmt Bergmann dem zu. Allerdings möchte er die Realisierung solcher Versorgungsformen nicht exklusiv der hausärztlichen Vertragsgemeinschaft überlassen, die gegenwärtig zum Beispiel die Paragraf 73b-Verträge in Baden-Württemberg und anderen Ländern managt. Die Frage sei, ob auch die KVen in der Lage seien, solche innovativen Versorgungsmodelle zu organisieren.

Dietsche ist hier eher skeptisch und verweist auf die von der KBV entwickelten höchst anspruchsvollen Innovationen aus ihrer Vertragswerkstatt. "Gute Ideen, aber praktisch keine Performance."

Mit den Versorgungslandschaften für relevante chronische Krankheiten habe der Hausärzteverband hingegen eine Blaupause entwickelt, interdisziplinäre ambulante und stationäre Versorgung zu realisieren. Für Rheuma wird das bereits regional umgesetzt.

Eine Chance für die KVen sieht Bergmann in den Reformplänen der Koalition: Danach sollen die KVen auf der Basis eines neu gestrickten Paragrafen 140a Partner der Integrationsversorgung werden können. Diese Option müsse dann aber auch wahrgenommen werden. (HL)

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