Fieberhafte Suche nach GKV-Sparmilliarden
Wie lässt sich das drohende milliardenschwere Kassendefizit ausgleichen? Auch nach ihrem zweiten Treffen geben Gesundheitspolitiker von Union und FDP nur vage Antworten auf diese "mordskomplexe Materie".
Veröffentlicht:BERLIN (hom). Als das WM-Gruppenspiel Deutschland vs. Ghana am Mittwochabend um 20 Uhr 30 angepfiffen wurde, hatten die Gesundheitsexperten der Koalitionsfraktionen das Bundesgesundheitsministerium an der Berliner Friedrichstraße schon wieder verlassen. Zuvor hatten sie sechs Stunden lang mit Ressortchef Philipp Rösler (FDP) zusammengesessen und sich die Köpfe zerbrochen, wie sie das im nächsten Jahr drohende Elf-Milliarden-Euro-Defizit der gesetzlichen Krankenkassen ausgleichen können. Den ultimativen Durchbruch konnte die Runde aber auch nach ihrem zweiten Treffen - das erste fand Ende vergangener Woche statt - nicht vermelden.
Man komme bei den Beratungen "voran", hieß es nur. "Ein Endergebnis haben wir noch nicht erzielt", sagte Gesundheits-Staatssekretär Daniel Bahr (FDP) der "Ärzte Zeitung". Ähnlich äußerte sich CDU-Gesundheitsexperte Rolf Koschorrek. "Es geht voran. Aber es ist eine mordskomplexe Materie, mit der wir uns da beschäftigen."
So steht bislang lediglich fest, dass die Koalition ihr Sparpaket in Ausgabenreduzierungen bei Ärzten, Kliniken und Apotheken sowie Einnahmeverbesserungen in Form höherer Zusatzbeiträge für die rund 50 Millionen GKV-Mitglieder zweiteilen will.
Konkrete Entscheidungen, wie das im Einzelnen aussieht, seien bislang noch nicht gefallen. "Es liegt noch alles auf dem Tisch", so Bahr. Er machte deutlich, dass es bei den Beratungen nicht bloß um eine Lösung für das Defizit in 2011 gehen könne. "Wir brauchen ein Ausgaben- und Finanzierungskonzept mindestens für die gesamte Legislaturperiode."
Der CDU-Experte Jens Spahn sagte, die Koalition wolle die Zusatzbeiträge weiterentwickeln und schauen, "wie wir einen Sozialausgleich auch bei steigenden Zusatzbeiträgen vernünftig hinbekommen". Die Ergebnisse würden immer mit den Partei- und Fraktionschefs abgestimmt. Für den 1. Juli ist das nächste Treffen vereinbart.
Der Münchner Gesundheitsökonom Günter Neubauer gab unterdessen zu bedenken, dass das Kassendefizit im nächsten Jahr noch höher als bisher angenommen ausfallen könnte. "Die elf Milliarden sind ja lediglich eine gesetzte Zahl", sagte Neubauer der "Ärzte Zeitung". Umgekehrt könnten auch Einspareffekte niedriger ausfallen als erwartet. Als Beispiel nannte Neubauer das von Union und FDP auf den Weg gebrachte Arzneisparpaket: So wolle die Koalition unter anderem mit der Erhöhung des Herstellerrabatts von sechs auf 16 Prozent zwei Milliarden Euro einsparen. "Es gibt aber eine Reihe von Unternehmen, die heute schon mehr als sechs Prozent Rabatt an die Kassen geben", so Neubauer.
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