Barmer Forum 2018

GBA-Chef Hecken: "Wir brauchen die gemeinsame Bedarfsplanung!"

Ärztemangel, Notfallversorgung, Bedarfsplanung — beim Barmer-Forum diskutieren Experten die Versorgung der Zukunft.

Von Jürgen Stoschek Veröffentlicht:
Diskutierten beim Barmer Forum: Professor Horst Kunhardt von der TH Deggendorf, SPD-Landtagsabgeordnete Kathrin Sonnenholzner, Renate Wasmeier, Gesundheitsökonom Professor Wolfgang Greiner, GBA-Chef Professor Josef Hecken, Barmer-Vorsitzender Professor Christoph Straub, CSU-Landtagsabgeordneter Bernhard Seidenath, Dr. Susanne Fiedler, Geschäftsführerin von MSD Deutschland, und Barmer-Landesgeschäftsführerin Dr. Claudia Wöhler.

Diskutierten beim Barmer Forum: Professor Horst Kunhardt von der TH Deggendorf, SPD-Landtagsabgeordnete Kathrin Sonnenholzner, Renate Wasmeier, Gesundheitsökonom Professor Wolfgang Greiner, GBA-Chef Professor Josef Hecken, Barmer-Vorsitzender Professor Christoph Straub, CSU-Landtagsabgeordneter Bernhard Seidenath, Dr. Susanne Fiedler, Geschäftsführerin von MSD Deutschland, und Barmer-Landesgeschäftsführerin Dr. Claudia Wöhler.

© Stefani Meyer-Maricevic

DEGGENDORF. Der Anteil der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten, die nicht mehr in vollem Umfang an der Versorgung teilnehmen, ist in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen. Im Jahr 2017 nahmen nur noch 70 Prozent in vollem Umfang teil, erklärte der Bielefelder Gesundheitsökonom Professor Wolfgang Greiner, Mitglied des Sachverständigenrates für das Gesundheitswesen. "Da kommt noch einiges auf uns zu", sagte Greiner beim Barmer Forum 2018 in Deggendorf mit Blick auf den zunehmenden Anteil der über 60-jährigen Vertragsärzte.

Der Sachverständigenrat plädiere daher in seinem jüngsten Gutachten, bei einer drohenden Unterversorgung eine absehbare Nachbesetzung von Kassenarztsitzen um fünf Jahre vorzuziehen. Darüber hinaus sollten Haus- und Fachärzte in unterversorgten ländlichen Bereichen garantierte Vergütungszuschläge erhalten, die zu Lasten aller Fachgruppen in nicht unterversorgten Bereichen finanziert werden, regte der Gesundheitsökonom an. So könnte die Tätigkeit in ländlichen Regionen wieder attraktiver werden, meinte Greiner.

Erst in der vergangenen Woche hat die Bayerische Staatsregierung die Einführung einer Landarztquote verbunden mit Prämienzahlungen beschlossen, um so 1000 Ärzte aufs Land zu bringen. Juristisch und verfassungsrechtlich sei das allerdings "eine schwierige Angelegenheit", räumte die Amtschefin im Bayerischen Gesundheitsministerium, Ruth Nowak ein. Vor dem Hintergrund der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulassung zum Medizinstudium werde es beispielsweise nicht möglich sein, eine Fünf-Prozent-Quote nur für "bayerische Landeskinder" einzuführen. "Das muss dann schon bundesweit gelten", erklärte Nowak. Und weil die Ausbildung der Mediziner sehr lange dauert, sei mit ersten Effekten frühestens in zwölf Jahren zu rechnen.

Erste Schritte zur sektorenübergreifenden Versorgung

Eine stärkere Vernetzung im Gesundheitswesen als Schritt in Richtung einer sektorenübergreifenden Versorgung werde noch Jahre dauern, erklärte der Vorstandsvorsitzende der Barmer, Professor Christoph Straub. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe habe jetzt den Auftrag Vorschläge für die Weiterentwicklung des stationären und ambulanten Systems zu erarbeiten. Angesichts der Fülle der Themen sei eine Umsetzung der Vorschläge, die bis 2020 auf dem Tisch liegen sollen, in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu erwarten.

Vor diesem Hintergrund könnte die Neuordnung der Notfallversorgung, für die KVen und Krankenhausgesellschaften künftig gemeinsam verantwortlich sein sollten, ein erster Schritt hin zu einer sektorenübergreifenden Versorgung sein, meinte Straub. Dazu sollte es dann auch eine einheitliche Notrufnummer geben. "Die Menschen kennen zwei Telefonnummern. Warum brauchen wir jetzt noch eine 116 117?", so Straub.

Weil die Patienten immer älter und multimorbider werden, die Personalgewinnung von Ärzten und Pflegenden aber immer schwieriger wird, führt nach Ansicht von Professor Josef Hecken, Unparteiischer Vorsitzender des GBA, an einer stringenten Nutzen- und Methodenbewertung kein Weg mehr vorbei. Notwendig sei auch eine gemeinsame Bedarfsplanung für die ambulante und stationäre Versorgung.

Zudem müsse jetzt eine ernsthafte Diskussion über die Substitution bestimmter ärztlicher Routineleistungen durch nichtärztliches Personal gewagt werden, forderte Hecken. "Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir in zehn Jahren noch das Personal haben, um uns einen solchen Luxus wie derzeit im Gesundheitswesen noch leisten können", erklärte der GBA-Vorsitzende.

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