Der Standpunkt

Genossen auf steinigem Weg

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:

Der Autor ist Hauptstadt-Korrespondent bei der "Ärzte Zeitung". Schreiben Sie ihm: thomas.hommel@springer.com

Nach ihrem Totalabsturz bei der Bundestagswahl im Herbst 2009 ist die SPD gerade dabei, sich zu berappeln. Der Weg zu einer neuen "Profilierung" im laufenden Jahr mit seinen sieben Landtagswahlen dürfte aber steinig werden.

Gerade in der Gesundheitspolitik, einem der zentralen Debattenthemen, zeigt sich eine der programmatischen Schwächen der Genossen.

Helfen soll nun ein "Fortschrittsprogramm". Doch auch dieses Konzept beinhaltet mehr Überschriften als Inhalte. Deutlich wird dies bei den Ausführungen zur Frage, wie die Versorgung verbessert werden soll.

"Wir schaffen die Gleichbehandlung im Wartezimmer und im Krankenhaus", heißt es. Oder: "Wir verbessern die hausärztliche Versorgung, damit die Menschen wohnortnah und gut medizinisch versorgt werden."

Das alles klingt gut. Doch mit der Nennung eines Ziel ist noch nicht der Weg dorthin beschrieben. Hierzu enthält das SPD-Papier nichts - außer dem Verweis auf die scheinbar alles heilende Bürgerversicherung.

Es mutet aber grotesk an, wenn die SPD meint, mit der Bürgerversicherung ließen sich Wartezeiten in Praxen abbauen, Unterschiede in der Versorgungsqualität der Kliniken beseitigen oder mehr Hausärzte aufs Land holen.

Zu kurz gesprungen ist auch der Vermerk, in der Pflege sei eine Bürgerversicherung angezeigt, "um langfristig ein Altern in Würde zu ermöglichen".

Das Kardinalproblem der Pflege ist, dass sich zu wenige junge Menschen für diesen Beruf begeistern, obwohl immer mehr ältere Menschen darauf angewiesen sind. Wie eine Pflege-Bürgerversicherung dieses Dilemma auflöst, muss die SPD noch erklären.

So fällt der Vorwurf, die von der Koalition geplanten Strukturreformen im Gesundheitswesen seien "pure Kosmetik", den Genossen selbst auf die Füße.

Mit dem ständigen Gerede von der Bürgerversicherung - deren konkrete Ausgestaltung die SPD bislang schuldig bleibt - verweigert die Partei Antworten auf drängende Strukturprobleme.

Diese Antworten sollte die Partei aber schleunigst formulieren, will sie im Superwahljahr 2011 als Alternative überzeugen und Wahlen gewinnen.

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Kommentare
Robert Herrlich 16.01.201122:42 Uhr

Die SPD hat keinen Mumm!

Der Beitrag von Ingo Fiedler kann getrost als Satire betrachtet werden, denn sein Vorschlag, noch mehr Bürger in die private Krankenversicherung zu leiten, führt zwangsläufig zum Kollaps des privaten Systems, das dafür überhaupt nicht geeignet ist. Herr Dr. Schätzler beschreibt dagegen den Zustand der PKV recht treffend. Notwendig für eine zukunftsfähige Gesundheitssicherung der Bürger ist aber in der Tat ein Systemwechsel, nach dem es nicht wieder zwei Vollversicherungssysteme geben darf. Einen solchen Unsinn leistet sich kein Land der Welt (außer den USA, dessen asoziales Gesundheitssystem hier aber nicht weiter kommentiert wird). Man sollte auf das Wort Bürgerversicherung nicht mit einem pawlowschen Reflex reagieren, sondern gelassen und mit belastbaren Fakten die Sache durchrechnen. Dann ergibt sich zwangsläufig eine Lösung. Ohne eine solidarische Beteiligung aller Bürger entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit wird es aber nicht gehen. Das werden auch die Schutzpatrone der Spitzenverdiener und Vermögenden nicht hinbekommen.

Dr. Thomas Georg Schätzler 14.01.201118:04 Uhr

Reicht Euch die Flossen, Genossen!

Die programmatischen Schwächen der SPD-Genossinnen und Genossen deckt Thomas Hommel nur allzu deutlich auf. Was ist denn das für eine diffuse sozialdemokratische Botschaft? "Anfang April" (sie meinte 2011) "wolle die SPD ihr durchgerechnetes Modell" (der GKV) "präsentieren", kündigte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am 14. Dezember letzten Jahres in Berlin an. Doch nicht etwa 1. April 2011? Wie kann jemand als Parteivorstand mit einem undurchsichtigen und allenfalls grob geschätzten Bürgerversicherungsversuch an die Öffentlichkeit gehen und ausgerechnet für "Anfang April" des Folgejahres breite Zustimmung erwarten.

Konkret wurden Parteivize Nahles und später der Vorsitzende, Sigmar Gabriel, dann mit einem Sammelsurium von Bürgerversicherungsbeiträgen und Steuerfinanzierung der GKV (als ob es die nicht schon längst mit dem Bundeszuschuss gäbe!) bzw. Knebelung einer eh'' schon maroden Privaten Krankenversicherung (PKV), die den Gutverdienern doch nur mit Prämienerhöhungen, Leistungskürzungen und unzureichenden Altersrückstellungen auf den Wecker geht.

Der Clou ist aber, dass die SPD, auch mit Prof. Lauterbach keinen Schimmer von ökonomischer GKV-Geometrie aufweisend, der Öffentlichkeit weis machen wollte, dass die konkreten Vorschläge des DGB und auch der Grünen/Bündnis 90 zur Reformfinanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unausgereift seien. Da sprach wohl der Blinde zum Sehenden.

Denn die SPD hat eine Heidenangst, das ihr Gutverdiener in Scharen(?) weglaufen, wenn die Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der GKV erhöht oder gar an die BBG der Rentenversicherung angeglichen würde. Da ist sie einig mit der schwarz-gelben GKV-Geisterbahn, die die BBG sogar noch g e s e n k t hat, um mit den GKV-Beiträgen herumzutricksen.

Denn der Regierungs-"Trick" geht ab 1.1.2011 so: Bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 3.712,50 mtl. zahlen Alle einheitlich 15,5% in die GKV - 8,2% Arbeitnehmer (AN) und 7,3% Arbeitgeber (AG). Bei 5.500 Euro mtl. werden mit 575,44 Euro mtl. GKV-Beitrag nur 10,46% eingezahlt, davon AN 5,53% und AG 4,93%. Dabei bleiben mtl. 1.787,50 bzw. 21.450 Euro jährlich GKV-b e i t r a g s f r e i! Wer 8.000 Euro im Monat hat, zahlt nur noch 7,2 % (AN 4,05% und AG 3,15%) in die GKV ein (alle Zahlen gerundet). Und darf sich die für geringer Verdienende selbstverständlich voll zu zahlenden GKV-Beiträge für mtl. 4.287,50 bzw. jährlich 51.450 Euro sparen!

Und genau d a s ist das zugegeben komplizierte, aber auch vom DGB angegangene Problem der GKV. Die Gesetzlichen Krankenkassen und der Gesundheitsfonds bluten langfristig an Beitragsauszehrung aus, wenn nicht alle Einkommensarten berücksichtigt werden und Besserverdiener immer weniger Beitragsanteile leisten. Die DGB-Berechnungen sind durchaus seriös und belastbar, dass bei Angleichung der BBG in der GKV an die der Rentenversicherung (RV) Alle nur noch 13,0 % Krankenkassenbeiträge zahlen müssten. Die Arbeitgeber dürften bei dann paritätischer Finanzierung von 6,5 % endlich ihren heißersehnten verringerten Anteil der Gesundheitskosten an den Lohnkosten genießen.

Halt, Stopp! werden Sie jetzt rufen! Wie ungerecht, wenn die "armen" Besserverdienenden von Allem, was sie verdienen, volle 6,5 % in die GKV einzahlen müssen und das nicht nur "Privileg" der Wenigerverdienenden, wie bisher, bleiben soll? Aber ich kann Sie beruhigen: Auch Guidos "mehr Netto vom Brutto" heißt ja nicht, dass die Steuerprogression für seine einkommensstarke Lieblingsklientel aufgehoben oder gar umgestülpt würde. Und in die Rentenversicherung zahlen ja auch alle paritätisch mit den Arbeitgebern zusammen 19,9 % ein, ohne bei einer BBG von 5.500 (West) und 4.800 (Ost) groß aufzumucken.

Tja, liebe SPD, mit Eurem wirren Mix von vager Steuerfinanzierung, unausgegoren niedriger BBG, Schaukämpfen gegen die PKV, populistischem Kampf gegen eine Zwei-Klassen-Medizin, die längst Realität ist, verliert Ihr den Anschluss. Da heißt es doch eher Farbe be

Gabriele Wagner 14.01.201116:05 Uhr

Die Gesetzliche Krankenversicherung ist mit ihrer Umlagefinanzierung am Ende

Per Brief erreichte uns der folgende Kommentar von Dipl. Betriebswirt Ingo Fiedler:

Die Bundesrepublik Deutschland hat mittlerweile einen Schuldenberg von knapp 1,8 Billionen Euro angehäuft. Zur Finanzierung der Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung muss aus Steuermitteln allein im Jahr 2010 ein Betrag von 15.700.000.000,- Euro aufgewendet werden, die aber gar nicht vorhanden sind, so dass dieser Betrag mit der Aufnahme von weiteren Schulden finanziert wird.

Das zeigt, dass die Gesetzliche Krankenversicherung mit ihrer Umlagefinanzierung am Ende ist. Sie lebt nicht nur von der "Hand-in-dem-Mund" sondern hält auch noch die andere Hand für Almosen des Staates auf. Gleiches würde für eine Bürgerversicherung gelten, die sich ja nicht anders als mit dem Umlageverfahren finanzieren soll.

Wir haben ein massives Demografieproblem, indem unsere Gesellschaft immer weiter altert und unsere Krankheitskosten in der Summe immer weiter steigen. Das wird zukünftig zu noch viel höheren Defiziten in der Gesetzlichen Krankenversiche-rung führen, die wiederum durch schuldenfinanzierte Steuerzuschüsse bezahlt werden müssen. Die Zukunft der Gesetzlichen Krankenversicherung ist damit tot!!!

Nun fordern die "Genossen" mit Einführung einer Bürgerversicherung, dass noch mehr Personen in die Gesetzliche Krankenversicherung einbezogen werden. 90% der Bevölkerung sind aber schon in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Warum sollte dieses kranke System, dass mit 90% der Bevölkerung nicht funktioniert, mit 100% der Bevölkerung funktionieren? In der Privaten Krankenversicherung sind zwar einige Gutverdiener aber mehr als 70% des vollversicherten Bestandes sind kleine Selbständige und kleine Beamte, die einen Einkommen unterhalb der derzeitigen Jahresarbeitsentgeltgrenze haben. Die helfen der Gesetzlichen Krankenversicherung gar nicht – auch nicht unter dem Dach einer Bürgerversicherung.

Es ist nicht mehr Gesetzliche Krankenversicherung und damit noch mehr Schuldenmachen gefragt, sondern mehr Private Krankenversicherung, die überhaupt keine Steuerzuschüsse erhält und darüber hinaus auch mit dem Aufbau von Alterungsrückstellungen das Demografieproblem im Griff hat. Die Lösung ist nicht die Bürgerversicherung, sondern die Öffnung der Privaten Krankenversicherung für weitere Personenkreise, z.B. durch eine massive Absenkung der Versicherungspflichtgrenze und Versicherungspflicht in der Privaten bei einem Einkommen oberhalb dieser Grenze, dies dann ohne die übliche Risikoprüfung. Die Stärkung der Privaten Krankenversicherung dient auch dem Gemeinwohl und dem Schutz unser jungen Generation (s.o.), weil dann für weitere Personenkreise keine schuldenfinanzierten Steuerzuschüsse für die Gesetzliche Krankenversicherung mehr erforderlich sind, für die spätere Generationen bitter werden zahlen müssen!

Mit freundlichen Grüßen
Ingo Fiedler

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