Kabinett winkt Pflegegesetze durch
Gesundheitsministerin Warken will Befugnisse der Pflegeberufe erweitern
Ein Thema, zwei Gesetzentwürfe: Pflegekräfte sollen künftig eigenverantwortlich Aufgaben in der ärztlichen Behandlung erbringen und Folgeverordnungen veranlassen können. Die Pflegeassistenzausbildung soll einheitlich geregelt werden.
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„Befugniserweiterung“ für professionell Pflegende im Blick: Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU).
© Sebastian Gollnow / dpa / pictur
Berlin. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken will den Pflegeberufen neuen Schub verleihen und deren Befugnisse in der Versorgung ausbauen. Es gehe darum, „Pflegekräfte zu halten, indem wir ihre Kompetenzen besser nutzen“, sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch.
In einer alternden Gesellschaft brauche es gute Arbeitsbedingungen in der Pflege, betonte Warken. Dann ließen sich mehr junge Menschen für den Beruf begeistern.
Diesem Zweck diene auch der geplante Bürokratieabbau, so die Ministerin. „Jede Minute, die sich eine Pflegekraft nicht mit Formularen beschäftigt, ist eine gewonnene Minute für ihre Pflegebedürftigen.“
Pflegekompetenzen „besser nutzen“
Zuvor hatte das Kabinett den von Warken eingebrachten Entwurf für ein „Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege“ – ehemals Pflegekompetenzgesetz – abgesegnet. Das Vorhaben wandert nun in den Bundestag. Dort soll es nach der Sommerpause beraten werden.
Ein Kern bildet ein Kompetenz-Upgrade für die rund 1,7 Millionen beruflich Pflegenden. Diese sollen künftig eigenverantwortlich bestimmte Aufgaben der ärztlichen Behandlung erbringen und Folgeverordnungen für Leistungen sowie Hilfsmittel der häuslichen Krankenpflege (HKP) veranlassen können.
Näheres soll in Rahmenverträgen der Selbstverwaltungspartner und unter Einbezug der Spitzenverbände der ambulanten sowie stationären Pflegeeinrichtungen festgeklopft werden. Darüber hinaus sollen über ein „Muster-Scope of Practice“-Projekt Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Pflegefachkräften genauer beschrieben werden.
Staffler: Arztvorbehalt ade!
Die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Katrin Staffler, lobte das Pflege-Update: „Arztvorbehalt ade! Endlich schneiden wir alte Zöpfe ab und ermöglichen Pflegekräften, das zu tun, was sie auch können“, sagte die CSU-Politikerin.
Der Vorsitzende des Pflegebündnisses Mittelbaden, Peter Koch, reagierte dagegen schwer enttäuscht. „Der jetzige Gesetzentwurf ist ein Schlag ins Gesicht der Profession.“
Echte Kompetenzübertragung bedeute Substitution ärztlicher Leistungen, wo pflegerische Expertise dies fachlich verantworten kann, so der Pflegemanager. Sein Befund: „Mit dem jetzigen Entwurf trägt die Fachpflege weiter Verantwortung ohne Entscheidungsbefugnisse zu besitzen. Das frustriert viele Pflegefachpersonen.“
Mehr Eigenständigkeit von Pflegekräften
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Vorgesehen sind im Gesetz auch Schritte zur Entbürokratisierung. So soll der Umfang der Pflegedokumentation auf ein „notwendiges Maß“ begrenzt werden. Qualitätsprüfungen durch die Medizinischen Dienste (MD) sollen Heimen und Pflegediensten künftig frühzeitiger angekündigt werden.
Heimaufsicht und MD sollten bei Prüfungen noch enger zusammenarbeiten, Doppelprüfungen „so weit wie möglich“ verhindert und Prüfungen zusammengeführt werden, hieß es am Mittwoch aus dem BMG.
Zudem will die Koalition die „Prävention vor und in der Pflege“ stärken, um den Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen zu dämpfen. Die Pflegeprävalenz werde weiter über dem demografiebedingt erwarteten Niveau liegen, heißt es dazu im Entwurf. Bis 2055 könne die Zahl pflegebedürftiger Menschen auf bis zu 8,2 Millionen steigen.
Ausbau der kommunalen Pflegeplanung
Die Kommunen sollen mit dem Gesetz mehr verbindliche Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Zulassung von Pflegeeinrichtungen erhalten. Regionale Netzwerke in der Pflege sollen mehr Unterstützung erfahren.
Der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) kritisierte dieses Ansinnen scharf. „Überlastete Kommunen sind als Pflegeplaner eine Fehlbesetzung. Um die Pflegeplanung bewältigen zu können, würden sie ohnehin knappes Personal vom Pflegebett in die Amtsstuben abwerben“, sagte Verbandspräsident Thomas Greiner.
Der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer, merkte an, das Festhalten „an der Ampel-Idee einer kommunalen Bedarfssteuerung“ sei nicht nur aus der Zeit gefallen. Es drohe daraus geradezu ein „Bürokratieturbo“ zu werden, der jede Investition in neue Versorgungsstrukturen erschwere.
BKK-Vorständin Anne-Kathrin Klemm hielt dagegen. Der „faktische Kontrahierungszwang“, wonach Pflegekassen verpflichtet seien, einen Versorgungsvertrag mit Anbietern zu schließen – „ungeachtet vom Bedarf“ – habe zu einer Fehlversorgung geführt. „So folgt das Angebot dem Profit und nicht den Bedürfnissen vor Ort.“
Die Grünen-Sprecherin für Pflegepolitik, Simone Fischer, warf der Koalition Mutlosigkeit vor. „Was als Aufbruch verkauft wird, ist in Wahrheit ein Rückschritt in zentralen Punkten. Statt konsequenter Stärkung von Pflegekompetenz, Entlastung und Teilhabe erleben wir Streichungen, Kürzungen und verpasste Chancen.“
Einheitliche Ausbildung zur Pflegeassistenz
Beschlossen hat das Kabinett auch einen Gesetzentwurf zur Pflegefachassistenzausbildung (PflFAssG). Der Ausbildungsberuf wird damit bundesweit einheitlich aufgesetzt und ersetzt die bisherigen 27 verschiedenen Landesregelungen.
Die Ausbildung ist generalistisch ausgerichtet und umfasst Pflichteinsätze in der Langzeitpflege sowie der stationären Akutpflege. Starten soll die Ausbildung ab 1. Januar 2027. Die Ausbildungsdauer beträgt in der Regel 18 Monate in Vollzeit. Teilzeit und Verkürzungen sollen aber möglich sein.
Grundsätzlich soll ein Hauptschulabschluss als Voraussetzung reichen. Es soll aber auch ohne formalen Abschluss bei positiver Prognose der Pflegeschule möglich sein, die Ausbildung zu beginnen.
Zuschüsse zum pflegebedingten Eigenanteil
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Vorgesehen ist eine bundesweit garantierte Ausbildungsvergütung. Kassenvertreter nannten diesen Schritt überfällig. „Eine angemessene Vergütung während der Ausbildung macht den Beruf zusätzlich attraktiv“, sagte der Chef des GKV-Spitzenverbandes, Oliver Blatt.
Völlig unverständlich sei aber, dass die Ausbildungskosten „einmal mehr ungerechterweise auf die Pflegebedürftigen und Beitragszahlenden“ abgewälzt werden sollten. Die Politik nehme damit weiter steigende Eigenanteile in Kauf.
Bereits heute schulterten Pflegebedürftige in der Langzeitpflege knapp 1,8 Milliarden Euro, die als Ausbildungskosten in den Eigenanteilen enthalten seien. (hom)