Glücksspielsucht: Regierung lässt weiter spielen

BERLIN (fst). Ländervertreter haben am Donnerstag beraten, ob es bei einem staatlichen Glücksspielmonopol bleiben soll oder ob etwa der Sportwettenmarkt für private Anbieter geöffnet werden soll. Eine Entscheidung wird im Frühjahr erwartet.

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Spielhalle in Waren: Die Neuregelung zum Glücksspiel-Staatsvertrag lässt noch auf sich warten.

Spielhalle in Waren: Die Neuregelung zum Glücksspiel-Staatsvertrag lässt noch auf sich warten.

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Dabei stehen neben der Suchtbekämpfung auch die Einnahmen von Kommunen und Ländern auf der Agenda: Die Automatenindustrie beschäftigt bundesweit 70.000 Mitarbeiter und spült 1,5 Milliarden Euro jährlich ins Steuersäckel.

Die Bundesregierung registriert das Problem der wachsenden Zahl Glücksspielabhängiger - sieht aber die Länder in der Pflicht, die formell zuständig sind.

"In den vergangenen Jahren beobachten Suchtberatungsstellen eine deutliche Zunahme von Klienten mit pathologischem Glücksspiel", heißt es in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der SPD.

Die Zahl der Daddel-Geräte in Kneipen und Spielhallen nimmt seit 2006 zu. Damals hatte das Bundeswirtschaftsministerium die Spielverordnung liberalisiert, seitdem dürfen die Betreiber mehr Automaten aufstellen. Ihre Zahl stieg von bundesweit 183.000 auf 212.000 im Jahr 2009.

Aus Sicht des Grünen-Abgeordneten Harald Terpe, drogenpolitischer Sprecher seiner Fraktion, reichen freiwillige Selbstbeschränkungen nicht aus. "Stattdessen müssen die Spiele verlangsamt und die Gewinn- und Verlusthöhe begrenzt werden", fordert Terpe.

Eine Studie des Münchener Instituts für Therapieforschung ergab, dass der Anteil pathologischer Spieler in Spielhallen bei 42 Prozent und in Gaststätten bei 30 Prozent liegt.

Dennoch will es das Bundeswirtschaftsministerium bei weichen Instrumenten wie der "Förderung von Sozialkonzepten" und der "Stärkung der Qualifikation von Aufstellern" von Geräten belassen.

Neue Erkenntnisse von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP), sind nicht zu erwarten. So ist bislang nicht einmal klar, ob es dieses Jahr einen nationalen Drogen- und Suchtbericht geben wird.

"Wenn die Bundesregierung eine weitere Zunahme der Geldspielautomaten nicht aufhalten und auch die Geräte nicht im Sinne einer geringeren Suchtgefahr modifizieren will, sind alle weiteren Vorschläge Kosmetik", kritisiert Angelika Graf, zuständige Berichterstatterin in der SPD-Bundestagsfraktion.

Für die Bundesregierung kommen aus Grafs Sicht "die Interessen der Automatenwirtschaft an erster Stelle".

Dabei wäre weitere Forschung nötig. Der letzte Drogen- und Suchtbericht von Mai 2009 schätzt die Zahl der Glücksspielsüchtigen bundesweit auf rund 100.000. Weitere 225.000 Personen weisen demzufolge ein "problematisches" Glücksspielverhalten auf.

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