KV Hessen deckt Versorgungslücken auf

Vielen Kommunen ist die aktuelle Bedarfsplanung ein Dorn im Auge. Eine Analyse der KV Hessen zeigt, welche Auswirkungen die Planung haben kann. Ein pauschales Urteil über Unter- oder Überversorgung lässt sich kaum fällen.

Von Rebecca Beerheide Veröffentlicht:
Wo fehlen die Hausärte? Die KV Hessen hat eine Analyse erarbeitet.

Wo fehlen die Hausärte? Die KV Hessen hat eine Analyse erarbeitet.

© Scherer / KV Hessen

FRANKFURT. Beim Thema Ärztemangel auf dem Land sowie Unter- und Überversorgung treffen in jeder gesundheitspolitischen Diskussion Welten aufeinander.

Während Kassen viele der bestehenden Arztsitze abschaffen oder von den Städten in die ländlichen Regionen verschieben wollen, merken Ärztevertreter an, dass es bereits selbst in attraktiven Großstädten Versorgungslücken gibt.

Wiesbaden, Offenbach, Kassel und Darmstadt fehlen

Um einen genaueren Blick in die Regionen zu werfen und so auch die Auswirkungen der aktuellen Bedarfsplanungsrichtlinie zu zeigen, hat die KV Hessen für alle Landkreise die Versorgungssituation veröffentlicht.

Seit einigen Tagen ist die Analyse für Frankfurt erhältlich, noch fehlen die kreisfreien Städte Wiesbaden, Offenbach, Kassel und Darmstadt.

Der Statistikteufel liegt im Detail

Schon die derzeitigen Zahlen aus den Landkreisen machen deutlich, dass es keine pauschalen Aussagen für komplette Regionen über Unterversorgung geben kann. So gibt es Landkreise, in denen statistisch gesehen keine Probleme bei der hausärztlichen Versorgung auftauchen sollten.

Der Blick ins Detail hält aber oft überraschendes bereit: Betrachtet man beispielsweise den strukturschwachen nordwest-hessischen Landkreis Waldeck-Frankenberg, so gibt es hier statistisch gesehen eine Überversorgung von 115 Prozent. Das heißt: Laut der aktuellen Bedarfsplanungsrichtlinie ist der Kreis gesperrt, kein zusätzlicher Arzt darf sich niederlassen.

Schaut man sich nun die Ärzteverteilung im Landkreis an, gibt es mit Brommerskirchen eine Kommune, die keinen Arzt mehr hat. Als Folge davon steigt in den Nachbarkommunen das Patientenaufkommen. Insgesamt kommt laut den Daten der KV der Landkreis Waldeck-Frankenberg auf fünf Regionen mit einem Patientenaufkommen von über 160 Prozent.

Jeder hessische Hausarzt hat im Schnitt 876 GKV-Patienten

Die KV Hessen hat errechnet, dass im Schnitt jeder hessische Hausarzt im Schnitt 876 GKV-Patienten betreut. Betrachtet man nun die Kommunen des Kreises unter demografischen Aspekten, können auch hier kaum verallgemeinernde Aussagen getroffen werden.

Liegt in der einen Kommune der Altersdurchschnitt der Bevölkerung bei 41 Jahren, ist er in der Nachbarkommune schon bei über 45 Jahren. Auch die Altersstruktur der niedergelassenen Ärzte schwankt von Nachbarort zu Nachbarort. Dementsprechend unterschiedlich fällt die Prognose für die Zahl der Arztsitze aus, die in den kommenden 20 Jahren wiederbesetzt werden müssten.

Ungleiche Verteilung der Ärzte im Odenwaldkreis

Eine ähnlich interessante Lage gibt es im südhessischen Odenwaldkreis. Der bevölkerungsärmste Kreis Hessens gilt statistisch gesehen mit 113 Prozent als überversorgt und damit gesperrt.

Doch auch hier macht sich die ungleiche Verteilung von Ärzten innerhalb eines Landkreises deutlich bemerkbar: In drei Kommunen gibt es keinen Hausarzt mehr. In den übrigen Gemeinden des Kreises sind die Ärzte deutlich älter als der hessenweite Schnitt.

Frankfurt ist überversorgt

Auch bei der detaillierten Analyse einer attraktiven Großstadt wie Frankfurt gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Stadtteilen: Während in relativ wohlhabenden Stadtteilen wie dem Westend die niedergelassenen Ärzte rund 70 Prozent an GKV-Patienten versorgen, ist der Anteil an GKV-Patienten in den sogenannten Problemstadtteilen deutlich höher.

Frankfurt hat einen Versorgungsgrad von 109 Prozent. Zwar ist die Stadt laut der aktuellen Bedarfsplanung nicht gesperrt, doch schon jetzt drängen sich die Sitze der Hausärzte vor allem in den bevölkerungsreichen Gegenden.

Hilft eine Neuregelung der Bedarfsplanung?

Um eine komplette Analyse der hausärztlichen Versorgung in Hessen zu erstellen, fehlen nun noch weitere Vergleiche zwischen Stadt und Land. Wenn diese Analysen aus den kreisfreien Städten Wiesbaden, Offenbach, Kassel und Darmstadt vorliegen, ist eine hessenweite Analyse möglich.

Die KV Hessen will im Laufe des Sommers diese Auswertung veröffentlichen.

Die Daten der KV zeigen, dass Pauschalurteile zu Unter- oder Überversorgung selbst in einem Bundesland, das nach der Statistik weiterhin in vielen Bereichen überversorgt ist, nicht möglich sind.

Ob diese oft sehr lokalen Probleme der fehlenden Arztpraxen aber mit der Neuregelung der Bedarfsplanung, die im Versorgungsstrukturgesetz festgeschrieben werden soll, behoben werden kann, bleibt noch abzuwarten.

Zum Bericht der KV Hessen "Versorgung heute"

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Kommentare
Dr. Harald Haslbauer 19.07.201109:20 Uhr

Kein Ärztemangel in Frankfurt!?

Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen hat für Frankfurt ihre Studie der hausärztlichen Versorgung vorgestellt. Das Ergebnis lautet: Gut versorgt mit der Indexzahl 109 %.

Es werden allerdings nicht nur Zweifel für die Zukunft laut, angesichts des voraussichtlichen Ausscheidens von etwa 50 % der Hausärzte in den nächsten 10 Jahren. Auch ein schon aktuell nicht gedeckter Betreuungsbedarfs bei „bildungsfernen“ Schichten und „bei Menschen mit Migrationshintergrund“ sowie bei den Alten („steigende Lebenserwartung und steigender Multimorbidität“) wird festgestellt.

Die KV hat diese Fehlentwicklungen allerdings selbst zu verantworten. Nicht nur hat sie (als Vertretung auch der Fachärzte) die Etablierung der Hausarztprogramme hintertrieben. Und während die Kassen für multimorbide Mitglieder Zuschläge kassieren, belohnt die KV den Verkauf von Arztsitzen in attraktivere Stadtteile und die Flucht aus der Behandlung betreuungsintensiver Patienten mit gleichem Honorar (Regel-Leistungs-Volumen = RLV) für alle Patienten, also auch Wellness-Kunden.

Ein Arzt, der solche frei gewordenen und arbeitsaufwändigen Patienten übernimmt, kann diese Mehrarbeit (nach den Regeln der KV) erst einmal für 1 Jahr quasi umsonst leisten oder wird mit Abschlägen abgestraft. So fordert ihn die KV geradezu dazu auf, diese Klientel ebenfalls zu fliehen...



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