Kahlschlag für die Kliniklandschaft?

Der Krankenhaus-Rating-Report prophezeit Deutschland eine massenhaftes Kliniksterben. Doch nicht nur das: die Autoren erwarten eine rege Fusionswelle. In acht Jahren könnte der Klinikmarkt von wenigen Playern beherrscht werden.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Leere Betten: Auch noch in acht Jahren?

Leere Betten: Auch noch in acht Jahren?

© TrudiDesign / fotolia.com

ESSEN. Der deutschen Kliniklandschaft stehen drastische Veränderungen bevor. Bis zum Jahr 2020 könnten 15 Prozent der jetzt noch aktiven Häuser verschwinden.

Ein Großteil der verbleibenden wird sich zu größeren Einheiten zusammenschließen - auf nationaler und auf regionaler Ebene. Das ist die Prognose der Autoren des "Krankenhaus Rating Report 2012 - Krankenhausversorgung am Wendepunkt?".

Ihr Szenario: 2020 werden vier oder fünf große Gruppen in privater und freigemeinnütziger Trägerschaft 60 Prozent des Markts beherrschen.

Sie werden überregional tätig sein und unter einer Dachmarke eng mit kommunalen und universitären Partnern kooperieren.

Parallel entstehen weitere Verbünde auf regionaler Ebene, vorwiegend in kommunaler Trägerschaft, die auf einen Marktanteil von 30 Prozent kommen. Die verbleibenden zehn Prozent entfallen auf Spezialanbieter.

Müssen die DRG neu justiert werden?

"Die Konsolidierung im Krankenhausmarkt wird sich beschleunigen", sagt Dr. Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI).

Der achte "Krankenhaus Rating Report" ist ein Gemeinschaftsprojekt des RWI, des Beratungsunternehmens Accenture und des Institute for Health Care Business.

"2012 gibt es zwei wesentliche Wendepunkte, die für die kommenden Jahre große Änderungen mit sich ziehen können", sagt Studienautor Augurzky.

Er nennt zum einen die Notwendigkeit, der Mengenausweitung im stationären Sektor entgegenzuwirken. Sie sei nicht nur medizinisch induziert.

Die Leistungsdynamik sei eine Folge der Umstellung auf die diagnosebezogenen Fallpauschalen DRG. "Wir kommen wahrscheinlich zu einer Neuadjustierung des DRG-Systems", erwartet er.

Fusion von Helios und Rhön bringt Dynamik in den Markt

Zum anderen verweist der Wissenschaftler auf einen Faktor, der den Trend zu größeren Einheiten verstärken wird: die geplante Fusion von Helios und Rhön.

Der neue Klinikanbieter komme auf einen Marktanteil von sieben Prozent und hätte erstmals die Möglichkeit, den Patienten bundesweit Spezialangebote zu machen, sagt er.

Dazu zählen besondere Serviceleistungen, Vorteile durch die elektronische Vernetzung oder die bereits geplanten klinikeigenen Zusatzversicherungen. "Die Patientenströme werden sich verändern, was eine Verschärfung des Wettbewerbs zur Folge haben könnte."

Augurzky geht davon aus, dass viele andere Krankenhäuser versuchen werden, sich dem neuen Netzwerk anzuschließen oder selbst eigene Verbünde zu bauen.

Für das Kernstück des "Krankenhaus Rating Report", die wirtschaftliche Analyse der deutschen Krankenhäuser, haben die Forscher rund 1000 Klinikbilanzen aus den Jahren 2009 und 2010 analysiert.

Auf dieser Basis haben sie die zu erwartende Kosten- und Erlössituation der Häuser bis ins Jahr 2012 fortgeschrieben.

Häuser im Westen hinken dem Osten hinterher

Danach ist die Phase der wirtschaftlichen Erholung, von der die Jahre 2009 und 2010 geprägt waren, für viele Kliniken vorbei.

Während 2010 bei zehn Prozent der Häuser eine erhöhte Insolvenzgefahr bestand, beziffern die Wissenschaftler den Anteil für 2011 mit zwölf Prozent und für 2012 bereits mit 15 Prozent.

Der Bericht zeigt erneut große Unterschiede je nach Trägerschaft. 2010 lagen danach 18,3 Prozent der öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser im roten Bereich, während es bei freigemeinnützigen 8,6 Prozent und bei privaten nur 1,7 Prozent waren.

In der Analyse schnitten kleine Häuser schlechter ab als mittlere oder große, westdeutsche schlechter als ostdeutsche und ländliche leicht schlechter als städtische.

"Krankenhäuser mit einem hohen Spezialisierungsgrad standen signifikant besser da als solche mit einem geringen Spezialisierungsgrad", heißt es im Report.

Die wirtschaftliche Lage rein psychiatrischer Kliniken war signifikant besser als die anderer Häuser.

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