Robert Koch-Institut

Kein Indiz für zweite Corona-Welle

Die lokalen Ausbrüche von COVID-19 bedeuteten keine „zweite Welle“, sagt RKI-Chef Wieler. Sozial prekäre Verhältnisse stehen im Verdacht, die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 zu begünstigen.

Von Anno Fricke Veröffentlicht:
Der Präsident des Robert Koch-Instituts, Prof. Lothar H. Wieler, mahnt, Abstandsregeln weiter einzuhalten.

Der Präsident des Robert Koch-Instituts, Prof. Lothar H. Wieler, mahnt, Abstandsregeln weiter einzuhalten.

© John Macdougall / dpa

Berlin. Professor Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), hat vor leichtfertigem Umgang mit dem neuartigen Coronavirus gewarnt. „Wir werden noch Monate lang Achtsamkeit brauchen“, sagte Wieler bei einer Pressekonferenz am Dienstag.

Die Bundesbehörde werde daher aktuell keine Aufhebung der Abstandsregeln empfehlen. Es gebe keinen Anlass, die Einschätzung zur Schwere von COVID-19 zu ändern. „Ich denke nicht, dass die Lockerungen völlig folgenlos bleiben werden“, sagte Wieler.

Wie sich Schulbetrieb auswirken könne, sei wegen der andauernden Schulschließungen nicht untersucht. Es gebe lediglich die „klare Einschätzung“, dass auch Kinder anstecken könnten.

Die „neue Normalität“

Die aktuellen Ausbrüche in Gütersloh, Warendorf, Magdeburg und Berlin-Neukölln wollte Wieler nicht als Indiz für eine sich aufbauende zweite Welle an Infektionen werten. Eine Welle definiere sich über Fallzahlen, und die seien nach wie vor niedrig.

Lokale Ausbrüche mit ebenso lokalen Gegenmaßnahmen könne man, wenn man wolle, als neue Normalität beschreiben. So wie im Landkreis Gütersloh geschehen, wo jetzt wieder massive Beschränkungen gelten.„Ich kann mir nicht vorstellen, dass gar keine neuen Fälle mehr auftreten“, sagte Wieler.

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Aus 137 Landkreisen seien in den zurückliegenden sieben Tagen überhaupt keine Meldungen zu Neuerkrankungen mehr eingegangen, in weiteren 212 lägen die Infektionszahlen unter fünf je 100.000 Einwohner, berichtete die Leiterin des Krisenstabs im RKI, Dr. Ute Rexroth.

Stand Dienstag seien 190.862 Fälle registriert. 8.890 Menschen seien gestorben. Aktuell würden 350 COVID-19-Erkrankte auf Intensivstationen behandelt. Die Zahl der Genesenen werde auf 175.700 geschätzt.
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Schlachthöfe als Ausbruchsherd

In den vergangenen sieben Tagen seien einschließlich der Betroffenen in den fleischverarbeitenden Betrieben in Gütersloh 3839 Infektionen gemeldet worden. Damit gebe es deutschlandweit auf 100.000 Einwohner 4,7 positiv auf das Coronavirus getestete Menschen, sagte Rexroth. Auch im Süden der Vereinigten Staaten gelten Schlachthöfe als Ausbruchsherde.

Es könne noch nicht abschließend beurteilt werden, warum dies so sei, sagte Wieler zum Ausbruch im fleischverarbeitenden Betrieb des Unternehmers Clemens Tönnies in Gütersloh. Beengtes Wohnen und Arbeiten, aber auch die Kühlung und die Aerosole könnten eine Verbreitung begünstigen.

Licht ins Infektionsgeschehen

In eigenen Studien und zahlreichen Beteiligungen an von anderen aufgelegten Untersuchungen will das RKI Licht in das Infektionsgeschehen bekommen. Alleine in drei Studien würde der Antikörperstatus gemessen, eine weitere solle über Befragungen auch den sozioökonomischen Hintergrund ausleuchten.

Die Standarddaten, die an das RKI übermittelt würden enthielten keine Informationen zur Staatsangehörigkeit, Ethnie, zur Sprache und zur Religion. Man müsse gleichwohl davon ausgehen, dass ein „sozial prekäres Umfeld“, also Armut, die Verbreitung des Virus erleichtere, betonte Rexroth.

Eine exakte Verortung, wo das Virus übergesprungen sei, ob im Nahverkehr, in der Schule oder im Haushalt, sei aber nur schwer möglich.

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