Berlin

Kommt die Pflegekammer?

In Berlin läuft zurzeit eine Umfrage zur Errichtung einer Pflegekammer. Der Präsident der Berliner Ärztekammer, Dr. Günther Jonitz, spricht im Interview mit "Springer Medizin" über Erfahrungen mit der Ärztekammer und die Chancen der Verkammerung.

Von Katja Kupfer-Geissler Veröffentlicht:

Springer Medizin: Herr Dr. Jonitz, Ärztekammern sind eine Selbstverständlichkeit, warum aber braucht auch die professionelle Pflege eine Kammer?

Dr. Günther Jonitz

Dr. Günther Jonitz

© K. Friedrich, Ärztekammer Berlin

Dr. Günther Jonitz: Die Pflegeberufe haben in den letzten Jahren die methodischen Grundlagen ihrer Arbeit stark erweitert. Pflegestandards sind inzwischen evidenzbasiert und die Regel, nicht mehr die Ausnahme. Durch akademische Zusatzqualifikationen hat sich eine neue Gruppe innerhalb der Pflegenden gebildet, die ihre Interessen mit größerem Selbstbewusstsein vertreten.

Um eine harmonische Weiterentwicklung der Pflegeberufe zu fördern, beispielsweise durch einheitliche ethische und berufsrechtliche Maßstäbe, aber auch um die Spezialisierung der Pflegeberufe besser zu gestalten, kann eine Kammer durch entsprechende Berufs-, Fort- und Weiterbildungsordnung für bessere Standards sorgen. Der politische Grund ist der der legitimierten und einheitlicheren Interessenvertretung. Gesundheitspolitik ist leider meist Lobbypolitik. Eine gemeinsame Stimme der Pflegeberufe wird besser gehört als die unterschiedlicher Verbände.

Was kann eine Kammer leisten und was nicht?

Jonitz: Kammern kümmern sich primär um die Qualifikation und das Verhalten der in ihr versammelten Berufsgruppe (Berufsrecht, Fort-, Weiterbildung, Qualitätsmanagement, Patientensicherheit). Sie haben kaum Einfluss auf die Rahmenbedingungen der ausgeübten Tätigkeit. Es gibt auch keinerlei Recht, bei Gesetzgebungsverfahren zwingend eingebunden zu werden. Wir schließen ebenfalls keine Tarifverträge oder ähnliches ab.

Müssen Kammern Bürokratiemonster sein oder geht es auch anders?

Jonitz: Das hängt vom Selbstverständnis der Führung der Kammer, den übertragenen und den selbst geschaffenen Aufgaben ab. Die Ärztekammer Berlin zum Beispiel versteht sich als "Dienstleistungseinrichtung mit hoheitlichen Aufgaben". Als Körperschaft öffentlichen Rechts müssen alle unsere Vorgänge rechtssicher sein. Ohne elementare Regeln und Dokumentation geht es nicht.

Nicht jeder - egal, ob Arzt oder Pflegekraft - ist ein Befürworter einer Kammer. Wie gehen Sie mit Kritikern in den eigenen Reihen um?

Jonitz: Ich rede gerne mit Kritikern und lege ihnen den inhaltlichen und politischen Erfolg unserer Ärztekammer dar. Die Kammer ist kein Selbstzweck, sondern leistet gute Arbeit. Die meisten lassen sich dadurch überzeugen.

Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften scheinen eine Pflegekammer zu fürchten, wie der Teufel das sprichwörtliche Weihwasser. Sind deren Ängste berechtigt?

Jonitz: Die Absichten der großen Verbände auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sind spätestens mit dem geplanten Tarifeinheitsgesetz klar: Sie wollen Macht und Kontrolle ausüben. Da stört ein eigener aufrechter Gang. Profundes Fachwissen und praktische Expertise, gebündelt durch eine Kammer, stört diejenigen, die vor allem am System Geld verdienen und es für eigene Karrieren brauchen.

Die meisten Pflegekräfte müssen aufs Geld schauen. Wenn es zu einem Pflichtbeitrag kommt, was erhalte ich dafür? Wo geht mein Geld hin?

Jonitz: Die grundlegenden Aufgaben der Kammer legt der Gesetzgeber fest, die konkrete Ausführung liegt bei handelnden, führenden Personen. Die Ärztekammern bieten durch das Regelwerk der Weiterbildung einen Rahmen, beraten und unterstützen. Gleiches gilt für Fragen des Berufsrechts. Die Mitglieder werden durch Zeitschriften und per Mail über die Arbeit der Kammer informiert und können sich - dank demokratischer Strukturen - auch selbst beteiligen.

Wir machen unsere Regeln selber. Die Verbindlichkeit kommt mit der gesetzlichen Grundlage. Der durchschnittliche ärztliche Kammerbeitrag liegt in Berlin bei circa 36 Euro im Monat. Für Pflegekräfte wird der Betrag sicher einkommensabhängig deutlich darunter liegen.

Wenn die Pflegekräfte jetzt tatsächlich eine Kammer bekommen - gibt es etwas, was sie Ihrer Meinung nach besser machen können als die Ärzte?

Jonitz: Was ich wichtig finde, ist, sich auf die Grundsätze des eigenen Berufes zu besinnen, diese inhaltlich zu fördern und dann erst nach finanziellen Rahmenbedingungen zu rufen erhöht die Akzeptanz bei Politik und Öffentlichkeit - auch bei den eigenen Mitgliedern. Und: Wählen Sie nur solche Pflegenden zu Präsidentinnen und Präsidenten, die Sie auch gerne selbst zum Chef/zur Chefin haben wollten.

Schlagworte:
Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Hämatologe gibt Tipps

Krebspatienten impfen: Das gilt es zu beachten

Lesetipps
Eine pulmonale Beteiligung bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) kann sich mit Stridor, Husten, Dyspnoe und Auswurf manifestieren. Sie zeigt in der Lungenfunktionsprüfung meist ein obstruktives Muster.

© Sebastian Kaulitzki / stock.adobe.com

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Wenn der entzündete Darm auf die Lunge geht

Klinisch ist die Herausforderung bei der IgA-Nephropathie ihr variabler Verlauf. In den meisten Fällen macht sie keine großen Probleme. Bei einem Teil der Patienten verläuft sie chronisch aktiv, und einige wenige erleiden katastrophale Verläufe, die anderen, schweren Glomerulonephritiden nicht nachstehen.

© reineg / stock.adobe.com

Glomerulonephitiden

IgA-Nephropathie: Das Ziel ist die Null