Chronisch Kranke

Multi-DMP-Patienten bereiten Hausärzten Kopfschmerzen

In Nordrhein nehmen 100 000 Patienten an mehreren DMP teil. Wechselwirkungen sind programmiert.

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KÖLN. Bei der strukturierten Versorgung von Patienten mit chronischen Erkrankungen stehen Hausärzte vor einer immer größer werdenden Herausforderung: der Versorgung von Patienten, die gleich an mehreren Disease-Management-Programmen (DMP) teilnehmen. Das zeigt der Qualitätsbericht 2015 der Gemeinsamen Einrichtung der KV Nordrhein (KVNo) und der Krankenkassen für die DMP in Nordrhein. Er hat erstmals die Versorgung dieser Patientengruppe gezielt in den Blick genommen.

Männer in der Überzahl

2015 nahmen in Nordrhein 856 201 Patienten an einem DMP teil, davon mehr als 100 000 gleich an mehreren. 19,5 Prozent (102 746) derer, die im DMP Diabetes mellitus Typ-2 betreut wurden, waren auch im DMP Koronare Herzkrankheit eingeschrieben, sieben Prozent im DMP COPD. Immerhin 13 313 Personen wurden in allen drei Programmen betreut. Die Schnittmengen mit den Programmen zu Asthma bronchiale, Diabetes mellitus Typ-1 und Brustkrebs sind deutlich kleiner.

Bei den Patienten, die zusätzlich zum DMP Diabetes noch an mindestens einem weiteren Programm teilnehmen, sind die Männer deutlich in der Überzahl. Das Durchschnittsalter ist im Mittel mehrere Jahre höher, die Patienten haben entsprechend mehr Begleiterkrankungen und Folgekomplikationen. "Patienten, die sowohl im DMP Diabetes mellitus Typ-2 als auch im DMP KHK betreut werden, haben das höchste Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko", heißt es in dem Bericht.

Die überwiegende Mehrzahl der Teilnehmer an mehreren Programmen wird hausärztlich betreut. Auch angesichts vorgegebener Standards und Leitlinien müssen die Ärzte abwägen können, welche Medikamente sie in welcher Dosis verordnen. "Ein striktes Befolgen der einzelnen Leitlinien hätte beispielsweise zur Folge, dass bei Patienten, die an den DMP Diabetes, KHK und Asthma gleichzeitig teilnehmen, bis zu sieben medikamentenbezogene Qualitätsziele berücksichtigt werden müssten." Hier besteht das Risiko unerwünschter Wechselwirkungen. Angesichts der Tatsache, dass der Gemeinsame Bundesausschuss über die Einführung fünf weiterer Programme berät, könnte die Problematik noch größer werden.

Neue Wege dringend erforderlich

"Wir sind überzeugt, dass das Gesundheitssystem neue Wege finden muss, eine strukturierte Behandlung mehrerer Erkrankungen zu ermöglichen", sagt Matthias Mohrmann, Vorstand der AOK Rheinland/Hamburg. "Eine bloße Anhäufung von Qualitätszielen aus den Leitlinien einzelner Indikationen würde dem multimorbiden Patienten nicht gerecht", betont er.

Bernhard Brautmeier, bis 31. Dezember stellvertretender Vorsitzender der KV Nordrhein, verweist auf einen weiteren Aspekt der Einführung weiterer DMP: "Insbesondere für Hausarztpraxen sollten wir schon jetzt darüber nachdenken, wie sich der Zeit beanspruchende Dokumentationsaufwand minimieren lässt, ohne den Qualitätsaspekt zu vernachlässigen."

Die 856 201 an DMP teilnehmenden Patienten wurden von 6188 Ärzten versorgt. Das mit Abstand größte Programm in Nordrhein ist das DMP Diabetes Typ-2 mit 528 064 Patienten. Damit werden neun von zehn betroffenen Patienten von dem Programm erfasst. Die geringsten Teilnahmequoten gibt es im DMP Brustkrebs (20 bis 22 Prozent) und Asthma (25 Prozent).

Zahl der Amputationen rückläufig

Der Qualitätsbericht hat erstmals die Teilnahmekontinuität der Patienten untersucht. In allen DMP gibt es danach eine kleine Gruppe von Patienten, von denen weniger als die Hälfte der erwarteten Dokumentationen vorliegen. "Die Patienten sind oft jünger, männlich und weisen oft weitere Risikofaktoren auf", führt der Bericht aus. Ihre Komorbidität ist dagegen geringer ausgeprägt. Die Autoren bewerten das als möglichen Indikator für eine bislang geringe Erkrankungsdauer. Wer im DMP die vorgesehenen Termine beim behandelnden Arzt nur sehr unregelmäßig wahrnimmt, hat deutlich schlechtere Blutzuckerwerte und ein erhöhtes Herzinfarkt-Risiko.

Im DMP Diabetes Typ-2 hat sich der HbA1c-Wert seit 2003 bei den kontinuierlich teilnehmenden Patienten verbessert, die Zahl der Fußamputationen, neurologischen Schäden und Augenschäden ist deutlich zurückgegangen. (iss)

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