Modellprojekt

NRW will natürliche Geburt fördern

In Modellprojekten will das NRW-Gesundheitsministerium Krankenhäuser unterstützen, denen es gelingt, die Sectio-Rate zu senken. Die natürliche Geburt soll gefördert werden.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

DÜSSELDORF. In Nordrhein-Westfalen will das Gesundheitsministerium künftig Kliniken modellhaft fördern, denen es durch besondere Maßnahmen gelingt, die Zahl der Kaiserschnittentbindungen trotz der Zunahme von Risikogeburten und -schwangerschaften zu senken.

Die gezielte Förderung der Kliniken ist eine der Konsequenzen, die Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) aus dem gerade veröffentlichten Abschlussbericht des "Runden Tischs Geburtshilfe" zieht.

Die hohe Zahl an Kaiserschnittgeburten war einer der wesentlichen Treiber für die Einrichtung des Runden Tisches Ende 2013. "Wir wollten die Möglichkeiten ausloten, die natürlichen Geburten zu stärken und die Arbeit von Hebammen abzusichern", erläuterte Steffens.

Leicht über dem Bundesdurchschnitt

NRW lag mit einer Rate von 32,8 Prozent Kaiserschnittentbindungen im vergangenen Jahr leicht über dem Bundesdurchschnitt von 31,8 Prozent. "Die WHO empfiehlt eine Kaiserschnittrate von zehn bis 15 Prozent", sagte sie.

Zwar hätten Faktoren wie das höhere Durchschnittsalter der Schwangeren oder eine Zunahme von Zwillings- und Mehrlingsschwangerschaften zum Anstieg der Schnittentbindungen hierzulande beigetragen. Das reiche zur Erklärung aber nicht aus. "Bei der Indikation Kaiserschnitt gibt es in 90 Prozent der Fälle einen Entscheidungsspielraum."

Ein Problem besteht aus Sicht der Ministerin im Mangel an validen Daten rund um die Themen Schwangerschaft und Geburt. Wie berichtet, wird sie eine wissenschaftliche Untersuchung in Auftrag geben.

In NRW sind rund 4000 Hebammen tätig. Von ihnen bieten 125 außerklinische Geburtshilfe an, berichtete Nicola Bauer, Professorin Hebammenwissenschaft an der Hochschule für Gesundheit NRW. "Wie viele nötig wären, wissen wir nicht", sagte Bauer.

Nach Angaben des Deutschen Hebammenverbandes hätten viele- nicht zuletzt wegen der Probleme mit den hohen Haftpflichtversicherungsprämien - die außerklinische Geburtshilfe aufgegeben. Bauer sagte, dass zurzeit jede siebte Hebammenstelle im bevölkerungsreichsten Bundesland nicht besetzt ist. "Wir merken, dass das Interesse am Beruf Hebamme nicht mehr so groß ist."

Vergütung gehört auf den Prüfstand

Der Runde Tisch hat die Weiterentwicklung des Versorgungskonzepts Hebammenkreißsaal empfohlen. Dort werden Frauen ohne oder mit geringer Risikoeinstufung von selbstständig und eigenverantwortlich arbeitenden Hebammen betreut - in enger Kooperation mit dem ärztlich geleiteten Kreißsaal. In NRW gibt es bislang vier Hebammenkreißsäale.

Für Steffens gehört auch die unterschiedliche Vergütung von natürlichen Geburten und Kaiserschnittentbindungen auf den Prüfstand. In den DRG für die Kliniken würden die Schnittentbindungen deutlich höher bewertet. "Die Finanzierungslogik entspricht nicht dem höheren Aufwand der Begleitung", sagte sie.

Eine der Handlungsempfehlungen des Runden Tisches lautet: "DRG-Vergütung für vaginale Geburten kritisch überprüfen". Sie wird von den Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe sowie der Landeskrankenhausgesellschaft nicht mitgetragen.

Die Qualitätsstandards für die Geburtshilfe sollen gemeinsam durch den Hebammenverband und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe weiterentwickelt werden, sagte Steffens.

Dabei müssen ihrer Ansicht nach die Bedürfnisse bestimmter Zielgruppen besonders in den Blick genommen werden. Dazu gehören Frauen mit Migrationshintergrund, Mütter in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, Frauen mit Gewalterfahrungen während der Schwangerschaft oder sehr junge Schwangere.

Einig sind sich die Beteiligten am Runden Tisch darüber, dass die Bundesregierung eine langfristig tragbare Lösung für die Haftpflichtproblematik der Hebammen, aber auch der Geburtshäuser und der in der Geburtshilfe tätigen Ärzte finden muss.

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