Recht

Neurobiologe wehrt sich gegen NS-Vergleich

Stammzellforscher setzt sich vor Gericht gegen einen radikalen Abtreibungsgegner durch.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:

STRAßBURG. Auch ein umstrittener Embryonenforscher darf nicht namentlich mit dem Missbrauch von KZ-Insassen durch Ärzte in der NS-Zeit verglichen werden. Dass deutsche Gerichte ein entsprechendes Flugblatt aus 2007 mit einer Geldstrafe geahndet haben, war rechtmäßig, urteilte am Donnerstag der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg.

Er wies damit den radikalen deutschen Abtreibungsgegner Klaus Günter Annen ab. Dieser macht aktuell durch serienweise Strafanzeigen gegen Ärztinnen und Ärzte von sich reden, die auf ihrer Internetseite Schwangerschaftsabbrüche im Rahmen der gesetzlichen Fristenlösung als eine ihrer Leistungen aufführen.

In dem Straßburger Urteil geht es um eine auch als Flugblatt verteilte Pressemitteilung, die sich gegen die Embryonenforschung an der Universität Bonn richtete, im speziellen gegen einen dortigen Neurobiologen, der mit Namen genannt wird. Als erster Forscher in Deutschland hatte dieser im Jahr 2000 Fördermittel für die Forschung an embryonalen Stammzellen beantragt. Dies löste eine heftige bundesweite ethische Debatte aus, die 2002 zu einer gesetzlichen Beschränkung des Zugangs der Forscher zu embryonalen Stammzellen führte.

Unter Nennung des Namens schrieb Annen: "Die Professoren können sich drehen und wenden, wie sie wollen. Mord ist Mord, (…) Der Geist von Auschwitz ist immer noch lebendig. Der Geist von Auschwitz muss überwunden werden!"

2008 hatte das Amtsgericht Weinheim Annen wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt – insgesamt 450 Euro. 2009 hatte das Landgericht Mannheim dies bestätigt. Der Vergleich der Forschung mit embryonalen Stammzellen mit den Menschenversuchen von NS-Ärzten sei zwar eine Meinungsäußerung. Dem Abtreibungsgegner wäre aber "die Verfolgung seines Anliegens auch unschwer ohne Namensnennung möglich gewesen".

Dem ist nun der EGMR gefolgt. Dabei berücksichtigten die Straßburger Richter, dass sich der Genannte selbst in die öffentliche Diskussion über die Stammzellenforschung eingeschaltet habe und daher weniger schutzbedürftig sei. Dennoch habe "die namentliche Nennung des Professors eine "stigmatisierende und herabwürdigende Wirkung" gehabt. Pressemitteilung und Flugblatt hätten ehrverletzende Vergleiche enthalten, "ohne hinreichend durch Fakten gestützt zu sein". Die von den deutschen Gerichten verhängte Strafe bewege sich "eher am unteren Ende des möglichen Sanktionenrahmens" und sei daher "nicht als unangemessen zu werten". (mwo)

Europäischer Gerichtshof für

Menschenrechte, Az.: 3779/11

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