"Nie so gut geschult wie in der Hausarztpraxis"

Göttinger Medizinstudenten vergeben sehr gute Noten für ihre PJ-Tertiale in Hausarztpraxen. Verbindlich wird dieser Ausbildungsteil jedoch nicht werden. Es fehlt an passenden Praxen und an Uni-Personal.

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Die Medizinstudenten an der Georg-August-Universität sind offenbar überzeugt vom Lerneffekt während eines Praktischen Jahres in einer Hausarztpraxis.

Die Medizinstudenten an der Georg-August-Universität sind offenbar überzeugt vom Lerneffekt während eines Praktischen Jahres in einer Hausarztpraxis.

© wolterfoto / imago

GÖTTINGEN (cben). Göttinger Medizinstudenten, die einen Teil ihres Praktischen Jahres in der Hausarztpraxis absolviert haben, fanden die Zeit hervorragend, raten aber von einer verpflichtenden Einführung ab. Das ergaben Berichte, die Göttinger Medizinstudierende nach dem praktischen Jahr über ihr Hausarzt-Tertial verfasst haben.

PJ-Tertial

Das Praktische Jahr (PJ) des Medizinstudiums ist in Göttingen in drei Tertiale à 16 Wochen gegliedert. Neben den Pflichttertialen "Innere Medizin" und "Chirurgie" kann auch Allgemeinmedizin als Wahlfach gewählt werden.

Die PJler im Allgemeinmedizin-Tertial erhalten eine Ausbildungsvergütung von 400 Euro pro Monat. Die KV Niedersachsen und das Niedersächsische Sozialministerium übernehmen Organisation und Honorierung.

Paradoxerweise ist es offenbar die angestrebte hohe Qualität des "Hausarzt-Tertials", die eine flächendeckende Einführung bremst: Es fehlen ausreichend passende Praxen, und es fehlt an Uni-Personal, um den allgemeinmedizinischen Lernerfolg im Staatsexamen abzuprüfen.

"Wir sind zusammen mit den Studierenden der Meinung, dass man das Tertial weiterhin anbieten sollte, aber nicht verpflichtend", sagt Dr. Anne Simmenroth-Nayda, Allgemeinmedizinerin und Koordinatorin des "Hausarzt-Tertials" an der Medizinischen Fakultät in Göttingen.

"Wir können das Angebot derzeit nicht flächendeckend machen. Außerdem haben wir im Fachbereich zu wenig Personal, um 200 bis 300 Studenten im Jahr im Staatsexamen zur Hausarztmedizin zu prüfen. Das ist auch den Studierenden klar geworden."

In Göttingen können die Medizinstudierenden am Ende des Studiums neben den Pflichttertialen "Innere Medizin" und "Chirurgie" auch die Allgemeinmedizin als Wahlfach für das PJ wählen. Seit 2005 werden neben den üblichen Evaluationsbögen auch Berichte über ihre Hausarztmonate gefordert.

Für den Bericht werden drei Fragen vorgegeben: Was unterscheidet das Tertial in der Hausarztpraxis von denen im Krankenhaus? Was haben Sie Neues gelernt? Und: Sollte es zur Pflicht werden, einen Teil des PJ in der Hausarztpraxis zu absolvieren?

Die Ergebnisse der Befragungen und Berichte sprechen für sich. "Ich bin noch nie während des ganzen Medizinstudiums so gut geschult und betreut worden, wie in diesem Tertial", schrieb etwa eine Teilnehmerin.

Der Lerneffekt im Eins-zu-eins-Lernen in der Hausarztpraxis überzeugt offenbar die Studierenden grundsätzlich. So heißt es in einem anderen Bericht: "Während es im Krankenhaus möglich ist, dass manche zukünftigen Kollegen die Namen der PJler auch nach vier Monaten noch nicht kennen und ganz überrascht sind, wenn ein ,neues Gesicht‘ eine Frage hat, hat man in der Praxis die Möglichkeit die Fälle meisten direkt zu besprechen."

Schließlich gewinnen die Hausarzt-PJler einen ganz neuen Zugang zum Krankheitsgeschehen: "Man bekommt ein besseres Gefühl für die wirklich häufigen Krankheiten und sieht endlich mal Licht am Ende des Tunnels der epidemiologischen Unsicherheit von vielen Krankheiten", so eine junge Medizinerin.

Das Göttinger Institut schickt die Studierenden in 13 Niedersächsische Praxen. "Handverlesen", wie Simmenroth-Nayda sagt. Offenbar eignen sich nicht alle Praxen. "Wir setzen vor allem auf Landpraxen oder solche, die ein breites hausärztliches Patientengut - vom Kleinkind bis zum hochbetagten Patienten - haben, aber weniger auf die typischen Innenstadtpraxen mit ausgesuchtem Publikum", so Simmenroth-Nayda.

Acht bis neun Studierende absolvieren in den Praxen jährlich das Hausarzt-Tertial. "Wir wollen langsam aufstocken", so Simmenroth-Nayda. "Es könnte alle halbe Jahr einer mehr werden. Wichtig ist aber, dass wir die Studenten und Praxen optimal betreuen können."

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