Niedersachsen: 2200 Praxen in Regress-Gefahr

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Die Zeit der Ruhe ist vorbei: Die KV in Niedersachsen kündigt für 2011 Richtgrößenprüfungen an. Ärzte sind verunsichert - laut KV-Vize ist manche Praxis in ihrer Existenz gefährdet.

Von Christian Beneker

HANNOVER. Von "existenzbedrohenden Regressen" spricht derzeit Niedersachsens KV-Vize und Hausarzt Dr. Jörg Berling.

In diesen Tagen hat die KV Niedersachsen (KVN) 817 Praxen im Land angeschrieben und ihnen mitgeteilt, dass sie für das Jahr 2011 voraussichtlich mit einer Richtgrößenprüfung im Arzneimittelbereich rechnen müssen, teilte die KVN am Freitag mit.

Für den Heilmittelbereich sind sogar 1471 Praxen darüber informiert worden, so die KVN. Die Einleitung der Richtgrößenprüfungen werden von der Prüfungsstelle Niedersachsen veranlasst.

Ausgabenobergrenzen seit 2007

Damit ist die Zeit der Ruhe in Niedersachsen vorbei. Seit 2007 vereinbarten KVN und Krankenkassen in Niedersachsen Ausgabenobergrenzen für Heil- und Arzneimittel. Wurden sie eingehalten, drohten keine Richtgrößenprüfungen.

Bis zum Jahr 2011 funktionierte die Rechnung. Seither schützt das System aber offenbar nicht mehr, die Grenze wurde überschritten, kaum dass die Kassen und die KVN auf Drängen der Krankenkassen ein neues System der Ausgabenobergrenzen verhandelt hatten.

Danach richtet sich der Prüf-Schutz nach drei Kriterien: Entweder bleiben die Gesamtausgaben bei den Arzneimitteln in Niedersachsen insgesamt 0,1 Prozent unter dem Bundesschnitt. Oder eigens vereinbarte Zielwerte bei zwölf Leitsubstanzen werden insgesamt eingehalten, oder der einzelne Arzt hält sie individuell in seiner Praxis ein.

Scharfe Kritik an drohenden Regressen

Die KV-Führung kritisierte die drohenden Regresse scharf. "In Zeiten von Ärztemangel bedeuten existenzbedrohende Regresse - neben der individuellen Katastrophe - eine zusätzliche Verschlechterung der Versorgungssituation", sagte Berling.

Der KVN-Vorstandsvorsitzende Mark Barjenbruch erklärte: "Dieses Instrument der Kostensteuerung hat sich überlebt und läuft völlig ins Leere, da die Vorgaben von Ärzten nur mit dem Mittel der Rationierung eingehalten werden können."

Was auf den ersten Blick wie ein Ärzteversagen aussehe, sei das Resultat unrealistischer Vorgaben. So stehe die Höhe der regional ausgehandelten Richtgrößen in keinem Zusammenhang mit dem jeweiligen Bedarf an Arznei- und Heilmitteln in den Regionen.

"Die Arzneimittel-Richtgrößen und die Regresse müssen schnellstmöglich vom Gesetzgeber abgeschafft werden", forderte Barjenbruch.

Unterstützung zugesagt

Die KV Niedersachsen hat inzwischen angekündigt, die betroffenen Praxen in den anstehenden Prüfverfahren zu unterstützen. "Wir werden alles tun, um unseren Mitgliedern bei der Zusammenstellung entlastender Belege behilflich zu sein", heißt es.

Auch im laufenden Jahr drohen die Ausgaben aus dem Ruder zu laufen. Bereits im März hatte die KV ihre Mitglieder mit Blick auf die Überschreitungen im Jahr 2011 aufgefordert, im laufenden Jahr 2012 zu sparen.

"Weil im Vorjahr die Grenzen überschritten wurden, haben wir Befürchtungen für 2012", sagte im März Detlef Haffke, Sprecher der KV Niedersachsen.

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